Polens Millionäre besser als ihr Ruf

Manch einer der reichsten Polen hat sein erstes Geld im Ausland gemacht – und dann in der Heimat investiert. Inzwischen gibt es bis zu 150.000 Dollar-Millionäre. Und immerhin auch eine Hand voll Milliardäre

WARSCHAU taz ■ Schon als Junge hatte Ryszard Opara von einem Rolls Royce geträumt. Doch im sozialistischen Polen hatte der junge Arzt keine Chance: 1979 packte er die Koffer, kratzte seine letzten 200 US-Dollar zusammen – und suchte sein Glück in Australien. Heute lebt Opara wieder in Polen. In einer Villa. Und mit Rolls-Royce.

Ryszard Opara ist nicht der einzige Millionär, der sein Vermögen im Ausland gemacht hat. Einem Bericht des Nachrichtenmagazins Polityka zufolge gibt es in Polen rund 100.000 bis 150.000 US-Dollar-Millionäre. Unter ihnen sind Veteranen des Kleinkapitalismus, die noch zu Zeiten der Volksrepublik eine Gesetzeslücke nutzten, die Neureichen, die „den schnellen Zloty“ in den anarchischen Umbruchzeiten Anfang der 90er-Jahre machten, und schließlich die Emigranten, die mit ihren Vermögen aus dem Ausland zurückkehren.

An der Spitze der 100 reichsten Polen stehen seit Jahren Jan Kulczyk und seine Familie. Ihr Vermögen wird auf 12 Milliarden Zloty (3,34 Milliarden Euro) geschätzt. Die Kulczyk-Holding hat von 1991 bis 2002 über 2 Milliarden US-Dollar in Polen investiert, vor allem in die Telekommunikation, ins Versicherungswesen und den Autobahnbau. Kulczyk ist der erste Pole, den das amerikanische Magazin Forbes ins Ranking der 500 reichsten Menschen weltweit aufgenommen hat. Auf der Liste der 400 reichsten Europäer belegen die Kulczyks Platz 64. Auch sie haben ihr erste Million im Ausland verdient. Bis heute hat die Kulczyk-Privatstiftung ihren Sitz in Wien.

Alexander Gudzowaty hatte 1990 seine Chance im Tauschhandel mit den Russen gesehen. Heute sind seine Firmen Bartimpex und Gazprom an sämtlichen Großtransaktionen zwischen Polen und Russland beteiligt, insbesondere am Rohstoffhandel. Das Vermögen der Gudzowaty-Familie wird auf 5 Milliarden Zloty (1,25 Milliarden Euro) geschätzt. In den nächsten Jahren will Gudzowaty vor allem auf dem alternativen Energiesektor investieren. Der dritte auf der Liste der 100 reichsten Polen ist Zygmunt Solorz-Zak, geschätztes Vermögen 2,8 Milliarden Zloty (700 Millionen Euro). Er hat in den 80er-Jahren mit einem Paketdienst zwischen Deutschland und Polen begonnen, schließlich Autos in großem Maßstab importiert und Anfang der 90er-Jahre in den Aufbau des Fernsehsenders Polsat investiert.

Dass die Multimillionäre Polens noch immer im Ruf stehen, ihr Vermögen auf krummen Wege ergattert zu haben, hat nicht nur mit der Meinung zu tun, dass das Streben nach dem Mammon einem Charakterfehler gleichkommt, sondern auch mit dem eigenen Versagen. Die meisten haben die Chance der Transformation nicht genutzt. Vor allem wohl, weil sie wie 62 Prozent aller Polen geglaubt haben, dass „man mit seiner eigener Hände Arbeit sowieso zu nichts kommt“. GABRIELE LESSER