Rausch aus dem Supermarkt

Ganz legal high sein: Vor allem auf Open-Air-Festivals wird Lachgas verkauft und konsumiert. Doch auch in jedem größeren Supermarkt steht N2O im Regal

BERLIN taz ■ „Der Rausch“, sagt Stefan B. zwischen zwei Zügen Lachgas, „ist irgendwie grün und blau.“ Seine Freundin Julia E. findet, es fühle sich „manchmal sogar wie ein Orgasmus an“. Andere erleben Flüge durchs All oder haben erotische Fantasien, so berichten sie in Internetforen zum Thema Lachgas.

Das farblose, süßlich schmeckende Gas euphorisiert beim Inhalieren. Lange dauert der Rausch allerdings nie an: Nach fünf Minuten ist alles vorbei. Die kleine N2O-Community schwört trotzdem auf ihre Droge. Denn Lachgas hat gegenüber anderen bewusstseinsverändernden Substanzen einen Vorteil: Es ist legal. „Besitz, Erwerb und Handel sind nicht strafbar“, heißt es auf der Internetseite drugscouts.de, die vom Suchtzentrum Leipzig betrieben wird. Fast jeder Supermarkt verkauft für circa 5 Euro Schachteln à zehn Kapseln mit Lachgas. Eigentlich ist es als Treibgas zum Sahneaufschäumen gedacht. Mit Hilfe eines Siphons, ähnlich einem altmodischen Sodaspender, lässt es sich aber problemlos in einen Ballon füllen und inhalieren. In der Stadt, in der Julia und Stefan leben, sind die Kartuschen manchmal sogar ausverkauft.

Auch bereits in Ballons abgefülltes N2O kann man erstehen, vor allem auf sommerlichen Open-Air-Festivals und in Diskotheken. Der Preis pro Ballon liegt bei etwa 5 Euro. Hier droht indes die Staatsanwaltschaft einzuschreiten. Sie beruft sich auf das Arzneimittelgesetz: Denn im Handel sind zwei Formen von Lachgas – das „technische“, das in den Supermärkten verkauft wird und unter das Lebensmittelrecht fällt – und dann noch das „medizinische“. Diese Variante macht 85 Prozent der Gesamtproduktion aus und darf nur kontrolliert abgegeben werden.

Nachweiskontrollen gibt es allerdings auch bei technischen N2O – sobald es nicht als Sahnehäubchen im Supermarkt, sondern in großen Mengen verkauft wird. Die wenigen Lachgas-Dealer haben also ein Nachschubproblem. Wolfgang Busch, Geschäftsführer des Industriegaseverbandes, weiß von gezielten Diebstählen bei N2O-Produzenten. Einbrecher fuhren mit dem Lkw vor und entwendeten gleich 40 Großflaschen. Im sächsischen Ottendorf-Okrilla wurden vor zwei Wochen vier 10-Liter-Flaschen N2O im Wert von 1.400 Euro gestohlen.

Im Jahresbericht der Drogenbeauftragten Marion Caspers-Merk taucht Lachgas unterdessen nicht auf. Vor allem, weil die Szene so klein ist. N2O sei allerdings „nicht gesundheitszuträglich und auch nicht zu verharmlosen“, betont Sprecher Ingo Michels. Das stimmt: Wer an einer Vitamin-B 12-Mangelerkrankung leidet, schwanger ist oder extrem viel Lachgas konsumiert, riskiert Schäden am Nervensystem. In den Konsumentenforen im Internet wird auch vor Erstickungsgefahr gewarnt. Insbesondere wer mehrere Kapseln hintereinander inhaliert, ohne zwischendurch Sauerstoff eingezuatmen, kann ohnmächtig zusammensinken. Riskant ist auch die Variante, ganze Räume mit N2O zu „fluten“. Todesfälle durch Lachgas sind zwar nicht bekannt, wohl aber durch Butangas, das ähnlich inhaliert wird.

In Zusammenarbeit mit dem Gesundheitsministerium hat der Industriegaseverband deshalb Warnhinweise veröffentlicht. Dass N2O psychisch oder physisch abhängig macht, ist aber bisher nicht bewiesen. In Berlin sah man daher noch keinen Anlass, N2O in das Betäubungsmittelgesetz aufzunehmen. „Wir werden aber tätig, sobald wir ausreichende Hinweise haben, dass Lachgas in nennenswertem Umfang missbräuchlich konsumiert wird“, sagt Martin Köhler, der die Arbeitsgruppe Drogen und Suchmittel im Ministerium leitet. Bis dahin bleibt es beim legalen 5-Minuten-Rausch aus dem Supermarkt.

YASSIN MUSHARBASH