„Jetzt bin ich unverfälscht“

Mit seinen Aussagen zu Homoehe, Bankenskandal und der alten Berliner CDU hat Berlin den echten Frank Steffel kennen gelernt. Vorher wurde versucht, „aus mir jemanden zu machen, der ich nicht bin“

Interview STEFAN ALBERTI
und ROBIN ALEXANDER

taz: Herr Steffel, erleben wir Sie in Ihren letzten Wochen als Fraktionschef?

Frank Steffel: Nein, mit Sicherheit nicht. Wir sind als junge und frische Berliner Union erfolgreich dabei, die Partei programmatisch und inhaltlich neu aufzustellen.

Da hören wir anderes. Spätestens nach der Bundestagswahl werden Ihre Gegner doch die Laubsäge wegpacken und Ihren Stuhl mit der Flex bearbeiten.

Ach was, das sehe ich sehr gelassen. Ein Prozess, wie ihn die Berliner CDU durchlebt, geht nicht schmerzlos und nicht harmonisch vonstatten. Das ist in einer Demokratie normal. Aber ich lasse mich von meinem Weg der Erneuerung der Partei und der ehrlichen, schonungslosen Aufarbeitung der Vergangenheit und Neuausrichtung der Fraktion nicht abbringen. Da ist die große Mehrheit der Partei und der Fraktion auch völlig einig mit mir.

Offiziell wird der Fraktionsvorstand erst 2004 neu gewählt. Würden Sie überhaupt wieder antreten wollen?

Ich habe mich mit der Frage, was wir 2004 tun, noch gar nicht beschäftigt. Es geht im ersten Teil der Legislaturperiode darum, die Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen. Und 2004 zu entscheiden, in welcher Aufstellung wir in den Rest der Legislaturperiode gehen. Ich persönlich bin dabei übrigens gar nicht so wichtig, es geht um die Mannschaft. Ich sehe mich da mehr als Spielmacher, der versucht, auch anderen Freiräume zu ermöglichen.

Ist auch ein Frank Steffel wieder als normaler Abgeordneter vorstellbar? Oder hieße Abschied vom Fraktionsvorsitz auch Abschied von der Politik?

Jetzt geht es zuerst um eine bessere Politik für Berlin. Ich habe immer gesagt, dass ich nicht mein Leben lang Berufspolitiker sein möchte. Aber ich denke mit 36 Lebensjahren nicht über mein Ende in der Politik nach.

Parteichef Christoph Stölzl hat zwar jegliche Krise um Sie dementiert. So redet aber auch der Präsident eines Fußballvereins kurz vor der Entlassung des Trainers. Können Sie sich auf Stölzl hundertprozentig verlassen?

Ich habe keinen Grund daran zu zweifeln, dass Christoph Stölzl genauso ehrlich mit mir zusammenarbeiten möchte, wie ich das mit ihm auch tue. Wir werden nur gemeinsam erfolgreich sein. Stölz ist eine Bereicherung für die Berliner CDU, weil er so ist, wie er ist.

Wie ist er?

Christoph Stölzl geht mit einem sehr unverkrampften Blick an politische Prozesse heran, weil er erst wenig mehr als ein Jahr Mitglied der Partei ist. Er ist im Gespräch außerordentlich befruchtend. Er bringt gute Eigenschaften mit, Menschen, die sich scheinbar unversöhnlich gegenüberstehen, auf ein gemeinsames Ziel festzulegen.

Bei Ihnen fallen die konstant miserablen Sympathiewerte in Meinungsumfragen auf. Warum sind Sie so unbeliebt?

Im vergangenen Jahr bin ich als Spitzenkandidat der Sündenbock für alle Fehler der alten Berliner Union gewesen. Ich hätte mir vieles anders gewünscht, aber ich hatte damals nicht die Möglichkeiten, es durchzusetzen. Es war wahrscheinlich mein größter Fehler, aus Verantwortung für Stadt und Partei eine Spitzenkandidatur zu übernehmen, ohne einen Apparat und entsprechende Gestaltungsmöglichkeiten zu haben. Je länger die Wahl her ist, desto mehr Menschen werden das verstehen. Deshalb bin ich zuversichtlich, dass meine Sympathiewerte durch engagierte und sachliche Arbeit besser werden.

Im damaligen Wahlkampf wurde Ihr Image von einer Agentur professionell aufgebaut. Heute macht die gleiche Agentur eine Spaßwahlkampagne für Vobis-Computer. Ist in Ihrem Fall versucht worden, den Menschen Steffel wie ein Produkt zu verkaufen?

Man hat versucht, aus mir jemanden zu machen, der ich nicht bin. Das war das Hauptproblem. Denn wenn die Glaubwürdigkeit einer Kampagne leidet, nimmt auch das Produkt Schaden.

Das Produkt Steffel leidet immer noch unter der falschen Wahlkampagne?

Ja, natürlich habe ich Schaden genommen. Aber doch vor allem durch Fehler der alten CDU, die der neuen Spitze angelastet wurden – wobei auch ich persönlich in den vergangenen Monaten viel dazugelernt habe.

Die Stadt hat Sie als aggressiven Wahlkämpfer erlebt. Jetzt senden Sie liberale Töne, akzeptieren die Homoehe und haben sogar Verständnis für die linke Bankeninitiative von Professor Grottian. Welcher Steffel ist jetzt der echte Steffel?

Der Steffel, der heute vor Ihnen sitzt – weil dieser Steffel keine Menschen mehr um sich herum hat, die versuchen, ihn zu verfälschen. Ich habe schon vor zwei Jahren im Abgeordnetenhaus dem Gesetz zur Homoehe als einer von ganz wenigen CDU-Abgeordneten zugestimmt. Ich werbe dafür, dass sich die Berliner CDU meiner Auffassung anschließt, was sicher noch ein Stück Arbeit bedeutet. In vielen anderen Fragen glaube ich, dass nach der Bundestagswahl eine inhaltliche Neuorientierung der Union erfolgen muss – ohne unseren werteorientierten Kompass zu verlieren.

Um Ihr Image zu verbessern, verprellen Sie Parteifreunde.

Der Eindruck ist, glaube ich, falsch. Die Partei unterstützt mich auf diesem Weg mit großer Zustimmung. Es gibt natürlich in einer großen Volkspartei Personen, die das anders sehen. Das kritisiere ich gar nicht – ich kritisiere, dass sie zum Teil über die Öffentlichkeit Debatten führen, die mit dem eigentlichen Thema gar nichts zu tun haben.

Womit soll die Berliner CDU in Zukunft Punkte machen?

Wir müssen bei uns selbst beginnen: mit einer ehrlichen Aufarbeitung der Vergangenheit. Wir haben nach der Wahlniederlage den richtigen Weg eingeschlagen mit einer Verjüngung und Erneuerung. Die Berliner CDU muss sich in den nächsten Jahren so verändern, dass sie den Herausforderungen eines neuen Jahrhunderts gewachsen ist. Wir müssen Altes überdenken und einiges auch korrigieren. Dann werden wir auch wieder Antworten geben können, die von den Menschen akzeptiert werden.