Rotkäppchen flieht vor Wolf

Zwei Tage bevor Harald Wolf (PDS) zum Senator gewählt werden soll, tritt linke Feministin Nickel als Staatssekretärin für Arbeit und Frauen zurück. Ursache: Frust und Verstimmungen mit PDS-Fraktion

von ROBIN ALEXANDER

Morgen soll Harald Wolf, bisher Fraktionschef der PDS, zum neuen Wirtschaftssenator gewählt werden. Die erste spektakuläre Personalie in Wolfs neuem Ressort gab es schon gestern: Hildegard Maria Nickel, parteilose Staatssekretärin für Arbeit und Frauen, trat überraschend zurück.

Eigentlich hatte Wolf an den beiden Staatssekretären seines Vorgängers Gregor Gysi festhalten wollen. Für die Wirtschaft ist Staatssekretär Volkmar Strauch (SPD) zuständig, für Arbeit und Frauen war es die 54-jährige parteilose Hochschulprofessorin Nickel. Bei einem ersten Gespräch in der letzten Woche kam es zwischen Wolf und Nickel jedoch zu ernsten Differenzen. Die Staatssekretärin, die über keinerlei Verwaltungserfahrungen verfügt, war in den Regierungsfraktionen in die Kritik geraten. Abgeordnete von SPD und PDS hatten handwerkliche Fehler bemängelt. Unter anderem war ein Betrag von sechs Millionen Euro wochenlang vergeblich in den Bilanzen der Arbeitsverwaltung und der ebenfalls PDS-verantworteten Sozialverwaltung gesucht worden. Die Kritik aus der PDS war besonders harsch: In der sozialistischen Fraktion sitzen für die Themen Arbeit und Frauen viele Experten – und noch mehr Expertinnen.

Wolf verdeutlichte seiner Staatssekretärin in spe diese Kritik, forderte aber mitnichten ihren Rückzug. Die deutliche Ansprache der Probleme goss jedoch Öl in ein schwelendes Feuer. Nickel war nämlich selbst unzufrieden mit ihrer Arbeit. Neben anderem machte ihr die viel kritisierte Streichungen von Geldern für das Frauenprojekt Owen zu schaffen. Gysi hatte die Professorin der Humboldt-Universität im Januar überhaupt erst zum Staatssekretärsjob überreden müssen. Die in der DDR aufgewachsene Nickel hatte sich nach der Wende einen Namen gemacht. Sie konstatierte für den SED-Staat eine „patriarchale Gleichstellungspolitik“, die jedoch zu einem „Gleichstellungsvorsprung“ ostdeutscher Frauen gegenüber in der BRD lebenden Frauen geführt habe. Nach Forschungsaufenthalten in Kanada, den USA und Großbritannien war Nickel zuletzt Professorin für „Soziologie der Arbeit und Geschlechterverhältnisse“ an der Humboldt-Universität. Gysi erklärte bei ihrem Amtsantritt, ihr Aufgabe sei insbesondere das Landesgleichstellungsgesetz „mit Leben zu erfüllen“.

Mehrere Versuche von Harald Wolf, die linke Feministin doch noch zum Weitermachen zu bewegen, scheiterten in den vergangenen Tagen. Ein letztes Gespräch der beiden fand gestern unmittelbar vor der Senatssitzung statt. Wolf bat vergeblich. Dem Fraktionschef und designierten Senator blieb nichts mehr, als den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit zu informieren. Am Nachmittag verschickte die Wirtschaftsverwaltung eine kurze Presseerklärung, in der es heißt: „Sie (Nickel) will den Weg für den durch den Rücktritt von Dr. Gregor Gysi notwendig gewordenen Neubeginn in der Senatsverwaltung ebnen. Ihre Entscheidung fiel nach intensiven Gesprächen und in gegenseitigem Einvernehmen mit dem designierten Bürgermeister und Senator für Wirtschaft, Arbeit und Frauen, Harald Wolf“. Versorgungskosten für das Land Berlin entstehen keine, da sich Nickel als Professorin lediglich beurlauben ließ und nun in ihre alte Funktion zurückkehrt.

Die Reaktionen der Opposition waren kritisch bis hämisch. Die Fraktionschefin der Bündnisgrünen, Sibyll Klotz, erklärte: „Das macht erneut deutlich, wie dünn die Personaldecke bei der PDS ist. Künftig darf es keine Notlösung mehr geben.“ Ihr Kollege von der FDP, Martin Lindner, verwies auf die morgen stattfindende Wahl von Harald Wolf und sagte: „Sieger erkennt man am Start – Verlierer auch.“ CDU-Fraktionschef Frank Steffel meinte gar: „Die Selbstauflösung des Senats geht weiter.“

Der designierte Wirtschafts-, Arbeits- und Frauensenator plant hingegen, sehr rasch eine Nachfolgerin für Nickel zu präsentierten. Schon vor Nickels endgültiger Absage sind Gespräche mit potenziellen Nachfolgerinnen geführt worden. PDS-Insider gehend davon aus, Wolf werde vielleicht schon heute, spätestens jedoch zu seinem Amtsantritt in der Wirtschaftsverwaltung eine neue Staatssekretärin präsentieren.