unterm strich
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Kennt hier jemand noch die Klassiker? Genau. Heute ist Goethes Geburtstag. Traditionell wird an diesem Tag der Goethepreis der Stadt Frankfurt verliehen – Marcel Reich-Ranicki nimmt ihn heute in der Paulskirche entgegen. dpa gegenüber äußerte er sich vorab noch einmal zum Fall Walser, was er dort zu sagen hat, klingt nicht eben nach Versöhnung. Martin Walser habe mit seinem Buch „Tod eines Kritikers“ nach seiner Ansicht „kräftig“ dazu beigetragen, dass latenter Antisemitismus in der Bevölkerung offener zu Tage trete. Er selbst habe nach Erscheinen des Buches mehr antisemitische Schmähbriefe erhalten als sonst. Überhaupt habe sich die Atmosphäre in Deutschland in den vergangenen Jahren „nicht unbedingt günstig“ entwickelt. Das hänge damit zusammen, dass „Ressentiments und antisemitische Gefühle jetzt deutlicher zum Vorschein kommen als früher“. Dennoch sehe er keinen Anlass, sich Sorgen zu machen: „Ich habe Antisemitismus mein ganzes Leben lang ertragen. Es ist eine alte Erfahrung, dass mit der Popularität immer auch der Schatten und der Neid wachsen. Alles verzeihen einem die Kollegen, nur nicht den Erfolg.“

Auch zum Verhältnis gegenüber Joachim Kaiser, seinem früheren Freund, der Martin Walser verteidigt hatte, äußerte sich Reich-Ranicki. Dieser habe ihn „tief enttäuscht“, seine Äußerungen finde er empörend. „Kaiser hat die literarische Qualität des Walser-Buches gerühmt, was auf gesundheitliche Schwierigkeiten schließen lässt. Jedenfalls scheint seine Selbstkontrolle stark reduziert.“ Kaiser habe ihn außerdem wegen seines Literaturkanons angegriffen: „Eine absurde Attacke“. Das Preisgeld in Höhe von 50.000 Euro will Reich-Ranicki dem Frankfurter „Haus der Chöre“ zukommen lassen.