Der Krieg um das Humankapital hat begonnen

Ohne Fragezeichen. Auf Einladung der GEW wurde über „Bildung als Ware“ diskutiert. Das Thema bleibt suspekt, wie ein Beispiel aus Bremen zeigt

Die International University Bremen (IUB) ist zweifellos eine der meist beachteten Universitätsgründungen in Deutschland. Das Ziehkind der renommierten Rice University in Austin, USA, bekam ungeheuren öffentlichen Vorschuss – gerade finanziell. 230 Millionen Mark hat die Hansestadt Bremen investiert, den Umbau einer Kaserne zu einem luxuriösen Campus organisiert und ein Feuerwerk von Public Relations abgefeuert: eine exzellente Uni, Professoren und Studis das Feinste vom Feinsten. Bremen spielt, so will es die Saga, seit der Eröffnung der IUB im Jahr 2001 in der akademischen Weltliga.

Unsinn. Rubish. Bullshit. Die Hochschule im Bremer Norden ist ein schlechter Scherz. Außer texanischen Ölmagnaten kann niemand an der pekuniären Konstruktion der Uni Gefallen finden. Die coolen Wissenschaftsmanager von Rice brauchten keinen Cent in die vermeintliche Eliteschmiede investieren. Bremische Provinzpolitiker, in Deutschland gewöhnlich unter der Rubrik Bilanztrottel und Quasipleitiers geführt, haben ihnen ungefragt öffentliche Millionen hinterhergeworfen – und zweckentfremdet. Denn die „University“ ist tatsächlich, was angesichts der Zahlungsströme kein Schulkind zu sagen sich traute: eine private Universität, die horrende Studiengebühren verlangt.

Dennoch geht man hier milde, ja geradezu sanft mit der IUB um. In Klappholtthal auf Sylt haben sich die Genossen der Bildungsgewerkschaft GEW versammelt, um sechs Tage lang über „Bildung als Ware“ zu diskutieren. Graubärtige Karl-Marx-Verschnitte tun sich das an. Auch ältere Damen in wehenden Gewändern, zu deren Standardrepertoire die verbitterte Frage nach Frauenförderplänen gehört. Aber selbst der nur äußerlich legere Gewerkschaftsnachwuchs bleibt merkwürdig stumm. Diese „University“, so viel ist klar, ist im Kampf gegen Globalisierung und Studiengebühren nicht satisfaktionsfähig.

Klaus Palandt ist es schon. Doktor Palandt ist ein hohes Tier im niedersächsischen Wissenschaftsministerium und, das ist sein Pech, der Vertreter des Ministers Thomas Oppermann. Wenn die Rede auf Oppermann kommt, spuckt der eine oder andere in die Hagebuttensträucher des Nordseeheims. Denn Oppermann ist neoliberal. Und EssPeeDee, die Münder der angereisten Studierenden werden spitz wie Pinzetten. Oppermann hat sich nicht getraut, raunen sie. Sein Adlatus Palandt musste.

Der Ministeriale Palandt setzt sich tapfer zur Wehr. Niedersachsens Hochschulreform, die den Umbau von Hochschulen in Stiftungen erlaubt, sei allenfalls eine Entstaatlichung. „Ich sage ausdrücklich nicht Privatisierung“, ruft er flehend ins liberalisierungskritische Publikum. Dennoch wird er sogleich peinlich befragt: Sind Stiftungsunis überhaupt demokratisch? Warum sollen Unis privates Kapital akquirieren?

Damit ist die Grundsatzfrage gestellt. Geben wir genug Geld für Bildung aus? Über 230 Milliarden Euro investiert das Land allein in Bildung und Forschung. Dennoch reicht es nicht. „Der Bildungssektor hat nicht vom allgemeinen Wohlfahrtszuwachs profitiert“, moniert etwa Jürgen Schlegel von der Bund-Länder-Kommission für Bildungsplanung. Er weiß: Das Bruttoinlandsprodukt, noch stärker der Schuldendienst sind enorm gestiegen – die Bildungsausgaben konnten da nicht Schritt halten.

Wissenschaftler und Experten stimmen dem zu – warnen aber vor zweierlei: Der Staat allein ist, erstens, mit der Aufgabe überfordert. Und zweitens reiche es nicht, mehr Geld in die Einrichtungen zu pumpen, ohne die Verwendung zu kontrollieren.

Immerhin, die traditionell linken GEWler diskutieren über einen neuen Umgang mit öffentlichem Geld („neue Steuerungsmodelle“) und über die Akquise privater Mittel. Aber suspekt bleibt ihnen beides – was kein Wunder ist, wenn man sich Bildungsglobalisierung à la Bremen betrachtet. Die US-amerikanische Rice University zieht keinen finanziellen Nutzen aus ihrem Bremer Ziehkind – aber sie saugt die Topstudis ab. Die besten Graduate-Studenten aus Bremen bekommen ein Angebot fürs Masterstudium in Austin. Auf dem internationalen Bildungsmarkt geht es weniger um Geld, sondern um Humankapital, um die besten Köpfe. Der Krieg um Talente, wie das die US-Amerikaner nennen, hat begonnen. CHRISTIAN FÜLLER