Berlusconi-Republik Deutschland

betr.: „TV-Duell – Das ist der Sieger“, taz vom 27. 8. 02

Und: Was hat mir das Duell der beiden Kandidaten nun gebracht? Ja, Besinnlichkeit! Innere Ruhe, Gelassenheit, Ausgewogenheit, Entspannung. Alle sind gleich. Alle sind gut. Alles ist egal. Und? Der Stolz darauf, nicht eingeschlafen zu sein.

Na gut, ein kleines Nickerchen vielleicht. Dafür hat ja Frau Roth für uns gewacht, wenigstens sie fand das Duell äußerst aussagekräftig. Der Irak? Ganz klare Unterschiede bei den Kandidaten, jetzt wisse man, wer in den Krieg ziehen will und wer nicht.

Nicht, dass the big battle irgendwie relevant wäre. Die Kriegsherren sitzen woanders, hinter dem Bildschirm. Von mir, dem Zuschauer aus gesehen. Erst durch die Bewertung wird dieser medialen Inszenierung Leben eingehaucht.

Aber: Ist das Leben? Das ARD summt „Sozialdemokratisches“ vor sich hin, das ZDF stimmt „christlich-konservative“ Töne an. Seit 30 Jahren die gleiche Melodie:

ARD-Text, 23:54:03, TV-Duell – Uneinigkeit über Irak-Einsatz: Nach einer ARD-Blitzumfrage durch Infratest dimap fanden 43 Prozent Schröder überzeugender, 33 Prozent Stoiber.

ZDF-Text, 23:55:23: Nach einer Blitzumfrage der Forschungsgruppe Wahlen hat Unions-Kanzlerkandidat Edmund Stoiber (CSU) beim Fernseh-Duell mit 37 Prozent besser abgeschnitten als Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) mit 35 Prozent.

Seit 30 Jahren die gleiche Melodie. Ich kann sie nicht mehr hören. OLIVER SCHWAN, Konstanz

Willkommen in der Berlusconi-Republik Deutschland!

Unglaubliches habe ich heute Abend erleben müssen: Wie ein an sich eindeutig ausgegangener „Schlagabtausch“ zwischen dem im Habitus unsicheren und aggressiven, in der Aussage unklaren und widersprüchlichen „Herausforderer“ und dem souveränen, rhetorisch geschliffenen und in seiner Aussage eindeutigeren Kanzler in einer höchst manipulativen „journalistischen“ Auswertung durch die deutsche Politik-Journaille, Nowottny und Aust, und weiteren Graukitteln der Einkommenskategorie zweihunderttausend Euro plus, eine vollkommene Umbewertung erfuhr.

Schlimm genug, dass RTL-Mann Peter Klöppel als Einziger in dieser Einheitsbegeisterung über den „überraschend souveränen Auftritt“ Stoibers die Fahne der kritischen Bewertung hochhalten musste. Ich frage mich ehrlich: Haben all diese Herren etwas anderes gesehen als ich?

Starcoiffeur (!) Udo Walz beschwerte sich ja – wohl als die Stimme aus der neuen Mitte – darüber, dass er weder erfahren habe, wie die einzelnen Wettbewerber um den Kanzlerposten zukünftig gedenken, ihm noch mehr in den Taschen belassen zu wollen, noch dass er überhaupt viel Neues und Überraschendes gehört habe. Ist es nicht gerade wünschenswert, dass selbst in einem solchen Rahmen frühere Aussagen noch ihre Gültigkeit behalten dürfen? Erstaunlich nur, dass er sich so gelangweilt hat, der Udo, wo doch gerade der Herausforderer nicht müde wurde, seine Affinität zum Mittelstand zu betonen! Als ob es im deutschen Volk nur Berliner Haareschneider mit 85 Angestellten gäbe. Den Haarschnitt zu achtzig Euro, exklusive fönen.

Und das mündige deutsche Volk? Durch repräsentative Umfragen im Bayerischen Wald belegt, stieg es direkt brav, wie der Demoskop freudig bemerkte, auf die „neutrale Aufarbeitung“ der Fernsehanstalten ein: Am Ende der Folgesendung hatte sich das Bild stärker zugunsten Stoibers gewandelt als noch direkt nach dem Duell. RALF WEBER, Köln

Ich bin, um es gelinde zu sagen, entsetzt über die sinnlose Verschwendung der ganzen ersten Seite der taz durch monotones Wiederholen des Wortes Zeitkonto. Die Botschaft wäre auch mit ein bis zwei Zeilen dem Leser vermittelbar gewesen. Witziger wird eine Aussage durch Wiederholung auch nicht. Ich wünsche mir Information und Kommentare von einer Zeitung, keine unprofessionelle Satire. PETRA THEILHABER, Frankfurt am Main