DIE WAZ WILL AN SPRINGER VERDIENEN, MEHR NICHT
: Hysterie ergreift das Stoiber-Lager

Im Wahlkampf gedeihen Hysterien gut. Die Politiker fürchten, dass sie verlieren – an Macht, an Bedeutung, an Gestaltungsmöglichkeiten und an Freifahrkarten. Da es an ihnen selbst nicht gelegen haben kann, wenn sie denn verlören, werden böse Mächte dafür verantwortlich gemacht.

So sieht die SPD die Ursache der drohenden Wahlniederlage ihres Kanzlers nicht in eigenen Fehlern, sondern nur in einer Kampagne der Bild- Zeitung. Nun hat die Hysterie die Gegenseite ergriffen. Die SPD plane, einen Teil der bundesdeutschen Presse auf ihre Parteilinie zu bringen – zur Illustration der verwegenen These wird auf die Absicht des WAZ-Konzern hingewiesen, jene Anteile des Springer-Konzerns kaufen zu wollen, die beim insolventen Herrn Kirch in München herumliegen. Der WAZ-Konzern, schreiben nun FAZ und Bild, sei ein ausgewiesen linkes Meinungshaus in Deutschland. Und das wolle sich nun den Springer-Konzern einverleiben. Womit der Untergang des Abendlandes gleichsam eingeleitet sei, weil dann Schröder via WAZ bestimme, was in Bild stünde.

Das ist kompletter Unsinn. Der WAZ-Konzern gehört zwei Familien. Die eine ist konservativ bis auf die Knochen; ihr gehört beispielsweise der Rechtsanwalt an, der Helmut Kohl in der Spendenaffäre vertritt. Die andere steht traditionell der SPD nahe, doch ihr Geschäftsführer wurde aus der Partei geworfen, weil er Kohl Geld spendete. Was beide miteinander und untereinander zerstrittenen Familien eint, ist allein der Wunsch nach hohem Profit. An parteipolitischen Strategien beteiligen sich ihre Blätter nicht. Ihre politische Leitlinie ist die einer großen Koalition aus Wetterbericht, Prominententalk und Lebenshilfe.

Dass der WAZ-Konzern den Kirch-Anteil von Springer erwerben will, verrät nur, dass dieser mehr wert sein muss, als er derzeit kostet. Und die Verschwörungstheorie demonstriert nichts als die wachsende Panik im konservativen Lager, Stoiber würde den sicher geglaubten Sieg noch vermasseln. An irgendjemandem muss es schließlich gelegen haben. DIETRICH LEDER

Der Autor lehrt an der Kunsthochschule für Medien, Köln