pampuchs tagebuch
: Im Inkanet

Cusco bedeutet „Nabel der Welt“, und der befindet sich rund 3.300 Meter über dem Meeresspiegel in den Anden im Süden von Peru. Hier ist der Himmel wunderbar blau und das Licht der Sonne, die in der Sprache der Einheimischen inti genannt wird, herrlich gelb, besonders am Nachmittag um fünf Uhr. Deshalb sollte man sich zu dieser Zeit ins „Ayllu“ setzen. Das Ayllu ist eine hübsche, einfache Kneipe, gleich neben der Kathedrale an der „Plaza de Armas“, einem der schönsten Plätze Amerikas. Der diente schon den Inkas als aucaypata, das heißt Kriegsplatz, und auf ihm wurde, so ist zu vermuten, gelegentlich auch gerne mal geopfert.

 Unter den spanischen Kolonialherren wurden auf diesem interessanterweise leicht zur Südecke geneigten Platz die indianischen Rebellen geopfert, unter anderem zwei Tupac Amarus, der erste Ende des 16., der zweite Ende des 18. Jahrhunderts. Danach war es, Gott sei Dank, mit der blutigen Geschichte der Plaza erst mal vorbei. In unseren Zeiten ist der ehemalige Kriegs-, Opfer-, Waffen- und Hinrichtungsplatz zu einem der wichtigsten Zentren des internationalen Tourismus in Südamerika geworden, auf dem sich „Gringitas“ und „Gringitos“, wie man diese Spezies hier liebevoll nennt, friedlich tummeln.

 Noch vor einigen Jahren verkauften hier unter den schönen Arkaden, die den Platz an drei Seiten umfassen, die indianischen Händlerinnen Lamapullover, bunte Bänder und chullos, jene praktischen Wollmützen mit herausklappbaren Ohrenschützern. Heute aber hat sie der modern denkende Bürgermeister vertrieben, und die Plaza präsentiert sich jetzt runderneuert und fit fürs 21. Jahrhundert. Das hat wie immer bei Modernisierungen – seine Vor- und Nachteile. Neben den Händlerinnen sind – bis aufs Ayllu – auch die urigen Kneipen verschwunden, die vor zwanzig Jahren die Globetrotter erfreuten. Dafür gibt es jetzt überall Breakfast Places, Reisebüros für den „Inkatrail“ und Restaurants mit Folkloreshows. Keine peruanische Pasta, keine chifa (peruanisch-chinesisches Essen), keine sopa a la criolla und schon gar kein gebratenes Meerschweinchen kann man essen, ohne dass einem eine ponchobehängte Musikantengruppe dazu mit scharf geblasener Andenflöte von jenem passierenden Kondor berichtet, der längst passé ist und auf der roten Liste der bedrohten Tiere steht.

 Die größte Veränderung aber, die Cusco im letzten Jahrzehnt durchgemacht hat, ist die absolute Internetisierung. Allein um die Plaza herum habe ich – vorsichtig geschätzt – etwa 25 Internetcafés gefunden. Damit verfügt der „Nabel der Welt“ vermutlich über die größte Internetcafédichte der Welt. Eines der schönsten ist das Cyberc@fé Mama Africa an der Westecke der Plaza, wo man aus einem schönen verglasten kolonialen Balkon auf die mächtige „Compania“ der Jesuiten blickt und gleichzeitig seine Mails versenden kann. (Ehrlicherweise muss ich aber sagen, dass mir dabei meine ganze Kolumne abgestürzt ist). Man sieht die friedlichen Einheimischen und Gringitas über den einst so blutigen Platz flanieren und freut sich. Vielleicht schafft ja das Internet, was weder Inkas noch Kolonialherren, weder Militärs noch Guerilla dieser Gegend hoch in den Anden zu geben vermocht haben: eine neue Perspektive und die Chance eines gleichberechtigten Zusammenlebens von Einheimischen und Auswärtigen. Immerhin haben die Nachfolger der beiden Tupac Amarus nun die Chance, sich global einzuklinken, im und vom Netz zu lernen und global über sich zu berichten. Für ein solches „Inkanet“ könnte man sogar die immer wilder werdende Touristisierung in Kauf nehmen. Bis zur nächsten Rebellion zumindest.

THOMAS PAMPUCH

ThoPampuch@aol.com