Der Generaldirektor der Globalisierung

Der thailändische Politiker und Exbanker Supachai Panichpakdi wird der neue Chef der Welthandelsorganisation

Mit Supachai Panichpakdi übernimmt am 1. September zum ersten Mal ein Asiate den Chefposten der Welthandelsorganisation (WTO). Der Thailänder löst den Neuseeländer Mike Moore vom Vorsitz der 142 Mitgliedsländer zählenden Organisation ab. In seiner Heimat ist der Ökonom Supachai bekannt als Politiker, der sich vor keinem Streit drückt. In Bangkoks Parlament kämpfte er unerschrocken gegen verknöcherte Militärs und korrupte Provinzpaten für eine demokratische Verfassung. Und als Vizepremier kritisierte der Verfechter einer freien Wirtschaftsordnung während der Asienkrise 1997/98 offen die dogmatischen Konzepte des Internationalen Währungsfonds (IWF).

Wie hartnäckig der 55-Jährige seine Ziele durchfechten kann, bewies er bei der Kandidatur für den WTO-Chefposten: Er ließ sich nicht von den USA einschüchtern, die Moore unterstützten. Zäh warb Supachai um jede Stimme, bis sich die ermatteten Mitglieder nach Monaten für beide Kandidaten entschieden. Dass Moore die erste und er die zweite Hälfte der sechsjährigen Amtszeit bekam, bezeichnete Supachai später als „Glück“. Denn nach Jahren scharfer Konflikte kam Bewegung in die WTO: Bei der letzten Konferenz im Golfstaat Katar einigte man sich auf eine neue Verhandlungsrunde, die den Welthandel weiter liberalisieren soll. Die Wirtschaftsflaute und die Folgen des 11. September machten die Teilnehmer kompromissbereiter als 1999 in Seattle. Dort endete die letzte Runde im Chaos.

Wenn Supachai jetzt in sein Genfer Büro zieht, erhoffen sich die ärmeren Länder seinen Rückhalt. Bislang waren sie gegen die mächtigen Industriestaaten meist machtlos. Zwar meint Supachai, dass es nötig sei, den Ärmeren unter den Mitgliedsländern beizustehen. Denn ihnen fehlten oftmals die Experten, um ihre Interessen durchsetzen zu können. Dennoch sieht er sich selbst vor allem als „neutraler“ Vermittler zwischen den Mitgliedstaaten: „Der Generaldirektor sollte vor allem Stratege, Koordinator und internationaler Diplomat sein, der alle Verhandlungspartner besänftigt und sie bei der Stange hält“, sagt er.

Eine Reform der WTO sei unausweichlich. Sie arbeite zu schwerfällig. So gilt bisher das Konsensprinzip für alle Entscheidungen. Supachai will es künftig nur bei den wichtigsten Beschlüssen wahren, wie zu Schutzzöllen oder Subventionen. Bei der Wahl seines Nachfolgers sollte Einstimmigkeit nicht mehr nötig sein, weil dies die WTO monatelang lähmen kann.

Supachai will die Zusammenarbeit mit anderen internationalen Wirtschaftsorganisationen wie der UN-Konferenz über Handel und Entwicklung (Unctad) und der EU-Kommission stärken. Dabei schwebt ihm ein „globales Regierungsnetz“ vor. Mehr Transparenz und Demokratie werde es nicht nur in der WTO, sondern auch in anderen mächtigen Organisationen wie dem IWF geben müssen, weil dies „für die ganze Welt besser ist“.

In seiner Heimat gilt Supachai vor allem als Technokrat: Der Sohn einer wohlhabenden Bangkoker Familie studierte Ökonomie in den Niederlanden und England. Seine Karriere in Thailands Zentralbank endete Mitte der 80er-Jahre, als er stellvertretender Finanzminister wurde. 1988 wechselte er ins kommerzielle Bankgeschäft, bevor er in den 90er-Jahren als stellvertretender Premier in die Politik zurückkehrte. JUTTA LIETSCH