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: Mensch Herbert

Komponieren ist wie duschen

Widmen wir uns heute einem wirklich wichtigen Thema, widmen wir uns heute dem neuen Werk von Herbert Grönemeyer. Es trägt den schönen Titel „Mensch“ und ist für das zuständige Label EMI ein Produkt von höchster Priorität. Wie man hört, wird EMI in diesem Jahr für keinen anderen Künstler einen vergleichbar hohen Werbeetat bereitstellen, nicht national und auch nicht international – was allerdings seltsam ist, weil wahrscheinlich ohnehin jeder das Album kaufen wird.

Die erste Auskopplung „Mensch“ ging jedenfalls umstandslos auf Platz eins der Charts und rückt seit drei Wochen nicht von der Stelle. Obwohl es in den letzten Jahren weitaus weniger verkaufte Platte braucht, um auf Platz eins der Single-Charts zu landen, ist „Mensch“ schon jetzt die meistverkaufte Single seiner Karriere. Das Album wurde schon vor der Auslieferung am kommenden Montag mit Platin ausgezeichnet. Insofern ist es auch kein Wunder, dass zwei seiner Konzerte in der Waldbühne bereits ausverkauft sind. Wirklich überraschend ist hingegen, dass nicht nur alle „Mensch“ irgendwie mögen, sondern dass es keinen Grund zu geben scheint, „Mensch“ nicht zu mögen. Blenden wir an dieser Stelle kurz rüber zur Pressekonferenz.

Es ist später Mittwochnachmittag, wir befinden uns vor dem Caféhaus Zucca am Hackeschen Markt. „Hallo Herbert, hier noch einmal das FAZ Businessradio mit einer Frage von Musiker zu Musiker: Wie komponieren Sie eigentlich?“ – „Ach, ich komponiere so, wie ich dusche. Also mehr so ein bisschen nebenbei. Ich fang an, höre wieder auf und mach dann weiter.“

„Guten Tag, Herr Grönemeyer, schön, dass Sie bei uns sind, meine Frage schließt gleich an die vorige an. Ich möchte von Ihnen wissen: Warum „Mensch“, warum jetzt?“ (Kurz hat es den Anschein, als wollte Grönemeyer das Jahrhundert des Menschen ausrufen, das tut er dann aber doch nicht, sondern sagt etwas anderes, was aber in Vergessenheit geriet.)

„Herr Grönemeyer, ich bin die Sabine von MTV News. Sie haben ja schon mal für uns ein MTV Unplugged aufgenommen. Wie fanden Sie eigentlich das Unplugged-Konzert der Ärzte?“ – „Aber das wird doch erst am Sonnabend aufgenommen?“ – „Nein, das wurde sogar schon gesendet!“ (Wir müssen dazu feststellen, dass Sabine irrt. Sie liefert der Annahme, dass MTV der Zeit stets um einige Schritte voraus ist, einen letzten, schönen Beweis.) „Ach so, die Ärzte finde ich natürlich gut.“ (So geht es dann immer weiter, durch Sport, Pop und Politik, bis sich Grönemeyer, den man als Nationalkünstler, Kumpel und allwissenden Ratschlaggeber handelt, nach zwei Stunden verabschiedet. Applaus!)

Der Fairness halber darf allerdings nicht unerwähnt bleiben, dass sich Grönemeyer in der Vergangenheit schwerster Verbrechen an der zeitgenössischen Unterhaltungsmusik schuldig gemacht hat, man denke an Stücke wie „Männer“, „Was soll das“, „Alkohol“ oder „Deine Liebe klebt“. Man denke auch daran, dass er mit „Cosmic Chaos“ einmal ein erschütterndes Quasi-Techno-Album verursacht hat, von dem jene, die es damals hörten, dachten, sie würden sich nie wieder davon erholen. Doch sie haben sich erholt. Weshalb an dieser Stelle nichts anderes bleibt, als diese Betrachtung mit einem themenverwandten Reim zu beenden: Leider ist es kaum bekannt / warum der Mensch nur Mensch genannt. / Der Mensch, der kam zu guter Letzt / da waren andere Worte schon besetzt. HARALD PETERS