Politische Wirren in Nigeria

In dem westafrikanischen Land stehen Präsidentschaftswahlen bevor. Doch das Parlament fordert den Rücktritt von Amtsinhaber Obasanjo. Neue Scharia-Urteile verschärfen den Konflikt zwischen dem Norden und der Regierung

von HAKEEM JIMO

Der Auftakt des Wahlkampfes für das Präsidentenamt in Nigeria zeichnet sich gleich durch mehrere innenpolitische Wirren aus. Anfang der Woche lief ein Ultimatum des Unterhauses ab, das den Rücktritt von Präsident Olusegun Obasanjo forderte. Dem nachzugeben, schien diesem jedoch von Anfang an fern zu liegen. Er bezeichnete die Gesetzesgeber als Joker, zeigte sich aber auch besorgt um den Ruf der jungen Demokratie Nigerias. Die Abgeordneten warfen dem Staatsoberhaupt gleich eine ganze Liste von Schwächen vor – darunter „monumentale Unfähigkeit, Verstöße gegen die Verfassung, Unzuverlässigkeit, schlechter Regierungsstil und Korruption“.

Bis gestern war noch nicht klar, wie der Streit zwischen Regierung und Unterhaus weitergehen wird. Die Regierung sagte bereits vor einigen Tagen, dass die Rücktrittsforderung kein Thema mehr sei. Doch einen Tag nach Ablauf des Ultimatums betonte ein einflussreicher Parlamentarier, dass das Thema noch keineswegs vom Tisch sei. Doch im Unterhaus scheint die Mehrheit zu einem solchen Schritt nicht mehr so groß zu sein wie noch vor zwei Wochen, als das Ultimatum überraschend ausgesprochen wurde. Selbst Parteikollegen von Obasanjos hatten zusammen mit der Opposition gestimmt.

Die Erfolgsaussichten für ein Amtsenthebungsverfahren gegen den 66-Jährigen sind mehr als vage. Für das Votum müssten jeweils zwei Drittelmehrheiten nicht nur im Unterhaus, sondern auch im Senat und einer richterlichen Kommission zusammenkommen. In Nigeria haben sich Amtsenthebungsverfahren als übliches Mittel zur Lösung politischer Streitfälle entwickelt. Anders als in anderen Demokratien, wo Zwangsenthebungen als seltenes und letztes Mittel gelten, traf es in dem westafrikanischen Land schon eine Reihe von Amtsträgern. Das ranghöchste Opfer war Senatspräsident Chuba Okadigbo vor rund zwei Jahren. In diesem Monat entmachtete das Parlament des Bundesstaates Borno seinen Sprecher wegen Arroganz und der Unfähigkeit, das Haus zu führen.

Neue Hiobsbotschaften treffen in der Hauptstadt Abuja auch aus dem mehrheitlich islamischen Norden ein. Ein neues Todesurteil durch Steinigung verschärft den latenten Konflikt zwischen der Regierung und christlich dominierten Landesteilen mit den rund ein Dutzend Bundesstaaten, die sich der Scharia, dem islamischen Recht, verschrieben haben. Ein Mann wurde wegen Vergewaltigung zum Tode durch Steinigung verurteilt. Er hatte zugegeben, ein neunjähriges Mädchen missbraucht zu haben. Die sonst erforderlichen vier Augenzeugen für ein Todesurteil waren nach dem Geständnis nicht mehr erforderlich. Außerdem wurde ein Paar wegen außerehelicher Beziehungen zum Tod durch Steinigung verurteilt. Auch sie gaben die Vorwürfe zu. Damit wurden im Norden bisher insgesamt sechs derartige Todesurteile gefällt.

Aber keines wurde bislang vollstreckt. Anfang der Woche protestierten 20.000 Auslandsnigerianer in den USA gegen die zu nachgiebige Politik der Regierung bei der Bedrohung durch die angeblich verfassungsfeindlichen Scharia-Gesetze. Bislang vermied es Präsident Obasanjo, alle verfügbaren Mittel gegen die Scharia-Verfechter anzuwenden. Er sprach lediglich von einer politisch motitivierten Scharia, die irgendwann von selbst wieder verschwinden werde. Sollte es keine politische Richtungsentscheidung geben, dann wird zwangsläufig das höchste Gericht die Frage klären müssen, ob die aufgewerteten Scharia-Gesetze in den nördlichen Bundesstaaten mit der Verfassung des ganzen Landes vereinbar sind.