Abgang einer Richtungsweiserin

Führungswechsel bei den französischen Grünen: Die Ex-Umweltministerin Voynet verlässt die Parteispitze

PARIS taz ■ Wann geht sie? Die Frage war bei der Sommeruniversität der französischen Grünen, die gestern in Saint-Jean-de-Monts in der westfranzösischen Vendée zu Ende ging, in aller Munde. Dass Parteichefin Dominique Voynet die Konsequenzen aus ihrem eigenen Scheitern bei den Parlamentswahlen, aus dem schlechten Abschneiden der „Verts“ insgesamt und aus den ungelösten Flügelkämpfen im Inneren der knapp 10.000 Mitglieder zählenden Partei ziehen würde, galt längst als ausgemacht. Auch die Namen ihrer potenziellen Nachfolger sind bereits in Umlauf. Es handelt sich ausnahmslos um Realos.

Gestern machte Voynet Ernst: Beim Parteitag im Dezember werde sie zurücktreten, erklärte sie gegenüber der Zeitung Le Monde. Die gelernte Anästhesieärztin und ehemalige Umweltministerin der rot-rosa-grünen Regierung hatte sich schon am Tag nach den Parlamentswahlen beim Arbeitsamt gemeldet. Inzwischen macht die 43-Jährige eine Weiterbildung. Sie will als Umweltberaterin arbeiten.

Voynet, die aus der Linken stammt, brachte als Parteichefin die französischen Grünen, die zuvor unentschieden zwischen rechts und links schwankten, auf einen Kurs links der Mitte. Voynet war es auch, die 1997 eine Allianz mit der sozialdemokratischen PS einfädelte. Dank gemeinsamer Wahllisten, in denen die PS den Grünen ein paar Wahlkreise überließ, schafften die Verts erstmals den Einzug in das Parlament. Direkt anschließend holte Jospin die Juniorpartner mit in die Regierung – zunächst mit einem Ministerposten, seit 2001 mit zweien. Zu einer Mehrheit im Parlament konnten die Grünen der PS nicht verhelfen. Dafür waren die Sozialdemokraten auf die KP angewiesen. Die Grünen brachten den ökologischen Anstrich.

Als Umweltministerin hat Voynet viele ihrer Anhänger enttäuscht. Zwar konnte sie den Ausstieg aus dem schnellen Brüter „Superphénix“ in Malville durchsetzen. Aber die Atomenergie blieb auch in der rot-rosa-grünen Regierung die zentrale Energieoption Frankreichs. Trotz ihrer Regierungsbeteiligung fällte die Koalition langfristige Entscheidungen zugunsten des Automobilverkehrs und des Gütertransports auf der Straße. Voynet konnte nicht einmal die Wiedereröffnung des Mont-Blanc-Tunnels verhindern. Und ihre Erfolge gegenüber den französischen Jägern, deren Schießperioden sie europäischen Regeln anpasste, versucht gerade die rechte Regierung zunichte zu machen.

Bei den Parlamentswahlen in diesem Jahr wiederholte Voynet die Zusammenarbeit mit der PS. Zwar schafften die Grünen dank dieser Allianz erneut den Einzug in die Nationalversammlung. Doch verloren sie die Hälfte ihrer Sitze, sind jetzt nur noch mit drei Abgeordneten vertreten und blieben weit hinter ihren eigenen Erwartungen zurück.

Noël Mamère ist gegenwärtig der einzige französische Grüne, der Positivnachrichten produziert. Bei den Präsidentschaftswahlen schaffte er als erster Grüner mehr als 5 Prozent. Ursprünglich stammt Mamère aus der den Sozialdemokraten nahen PRG, die in den 80er-Jahren den Populisten Bernard Tapie hervorgebracht hatte.

Bei den Grünen gehört Mamère zum Realoflügel. Eine seiner Stützen ist Europaabgeordneter Dany Cohn-Bendit. Jetzt ist Mamère auch im Gespräch für den frei werdenden Posten an der Parteispitze. Mamère hat geschworen, dass er das Amt nicht wolle. Aber ähnliche Schwüre hat er vor Monaten auch vor seiner Präsidentschaftskandidatur getan – und später umgeworfen.

DOROTHEA HAHN