Stoiber jetzt mit Ökosiegel

In feinen Dosen versprüht der Kanzlerkandidat der Union sein neu entdecktes grünes Gewissen und kündigt ein eigenes Umweltprogramm an. Bundestag debattiert Soforthilfe für Flutopfer

BERLIN taz ■ Edmund Stoiber will ganz offenbar den grünen Umweltminister Jürgen Trittin beerben. Der Kanzlerkandidat der Union entdeckte gestern in der Sondersitzung des Bundestages zur Flutkatastrophe das Thema Ökologie und kündigte für die Zeit nach der Bundestagswahl ein Umweltprogramm an.

„Meine Bundesregierung“, sagte Stoiber ganz im Stile des künftigen Kanzlers, werde ein nationales Hochwasserschutz-Programm auflegen, um Investitionen in Dämme, Deiche und Hochwasser-Rückhaltebecken zu finanzieren. Die Union wolle auch das Gesetz zur Förderung erneuerbarer Energien verbessern, so Stoiber. Eine unionsgeführte Regierung werde außerdem CO2-einsparende Wärmeschutzmaßnahmen in einer Größenordnung von rund 100 Millionen Euro pro Jahr steuerlich fördern. Damit sollten Investitionen von zwei bis drei Milliarden Euro ausgelöst werden.

Die unkonkreten Ankündigungen Stoibers lösten bei SPD und Grünen große Heiterkeit aus. In der zurückliegenden Legislaturperiode hatte die Union bei relevanten Klimaschutzvorhaben der rot-grünen Regierung 14-mal mit Nein gestimmt. Außerdem gehen bisherige Beschlüsse der Bundesregierung, etwa zur steuerlichen Förderung von Energiesparmaßnahmen, weit über Stoibers Vorschläge hinaus. „Umweltschutz hat in diesem Land nicht mit Rot-Grün begonnen“, sagte Stoiber ungerührt, „und wird mit dem Ende von Rot-Grün nicht aufhören.“

Das neue Ökoengagement Stoibers wird heute seine Fortsetzung finden. Die Union stellt ein so genanntes Sofortprogramm vor, in das kurzfristig ein eigenes Umweltkapitel aufgenommen wurde. Stoiber sah sich zu dieser Showmaßnahme gezwungen, weil nach der Flutkatastrophe überall kritisiert worden ist, dass in sein Kompetenzteam kein Umweltexperte berufen worden war.

Die gestrige Sondersitzung des Bundestages zur Hochwasserkatastrophe stand ganz im Zeichen des Wahlkampfes und war vom Streit um die Finanzierung des Wiederaufbaus bestimmt. Bundeskanzler Gerhard Schröder lobte in seiner Regierungserklärung die bewundernswerte Solidarität in Deutschland mit den Flutopfern. Er lehnte jedoch den Vorschlag der Union, zur Finanzierung der Hochwasserhilfe die Bundesbankgewinne zu verwenden, erneut ab. Die Bundesregierung will durch die Verschiebung der Steuerreform und die für ein Jahr befristete Anhebung der Körperschaftssteuer von 25 auf 26,5 Prozent 7,1 Milliarden Euro freisetzen. Das entsprechende Gesetz wurde gestern im Bundestag in erster Lesung beraten. Verabschiedet wird es in der letzten Sitzung des Bundestages am 12./13. September. JENS KÖNIG

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