Der rasende Ronald

Nach dem Bundestags-Eklat: SPD, Grüne und Jungliberale fordern Schills Abgang. Unmut in der CDU ist erheblich. Bürgermeister von Beust und CDU-Fraktionsspitze wollen trotzdem mit dem Innensenator weiterarbeiten

von PETER AHRENS

Die Jungen Liberalen fordern: „Packt ihn ein. Schill muss zurücktreten.“ Der stellvertretende Bundesvorsitzende der CDU, Volker Rühe, sagt: „Schill hat unermesslichen Schaden für diese Stadt angerichtet.“ Bürgermeister Ole von Beust sagt: „Dies ist keine Senatskrise.“ Immer mehr CDU-Bürgerschaftsabgeordnete fragen sich nach Ronald Schills Bundestagseklat, wie dick es noch kommen muss, bis das Maß voll ist. Während SPD und GAL die Entlassung Schills verlangen, machen Bürgermeister Ole von Beust und CDU-Fraktionschef Michael Freytag klar, dass es keine personellen Konsequenzen für den rasenden Ronald geben wird. „Wir haben nun einmal keine andere Option“, sagt Freytag.

„Mit Entsetzen“ habe er auf Schills Rede reagiert, sagt der CDU-Abgeordnete Marcus Weinberg. Man dürfe Schill so etwas nicht mehr durchgehen lassen, fordert er: „Es geht einfach nicht mehr. Langsam ist Schluss.“ Und der ewige Bürgerschaftler Karl-Heinz Ehlers, der seit 1970 im Parlament sitzt, macht aus seiner bekannten Abneigung gegen Schill keinen Hehl: Der Innensenator dürfe sich nun keinen Schnitzer mehr erlauben, sagte er dem NDR. Weinberg machte klar, dass es ohne Schill auf jeden Fall „ein ruhigeres Regieren“ geben würde.

„Ohne diesen Mann gäbe es die Regierung überhaupt nicht“, verteidigt Freytag. Auch er sei jedoch „von den inhaltlichen Äußerungen Schills im Bundestag meilenweit entfernt“. Das Schill sich mit der Bundestagspräsidentin angelegt habe, sei zudem „zutiefst unparlamentarisch“. Er erwarte, dass von Beust bis zur nächsten Fraktionssitzung am Montag abend ein klärendes Gespräch mit Schill geführt habe, das gewähre, dass sich so etwas nicht wiederholt.

Das will von Beust nun erreichen, in dem er alle Senatsmitglieder darauf verpflichten will, in Bundestag und Bundesrat nur noch die Senatspolitik wieder zu geben. Auch auf besonderen Wunsch des dritten Koalitionspartners FDP, für deren Fraktionschef Burkhard Müller-Sönksen die ganze Aktion von Schill ohnehin „ein mit eiskalter Absicht geplantes Medienereignis“ war. Ob Schill sich auf eine solche Verpflichtung einlässt, ist zumindest zweifelhaft. Gestern gab er sich völlig unbeeindruckt. Ebenso wie Edmund Stoiber nicht als Ministerpräsident im Bundestag geredet habe, sondern als Kanzlerkandidat, habe er auch nicht als 2. Bürgermeister das Wort ergriffen, tönte er. Zudem behauptete er, nichts von einer vereinbarten Redezeit von 15 Minuten gewusst zu haben: „Darauf hätte ich mich nie eingelassen.“ Die ganze Kritik an ihm tat er als „Wahlkampfgetöse“ ab.

Womit er sich in Bezug auf von Beust allerdings täuschen dürfte. Der Bürgermeister soll getobt haben, als er den Bundestagsauftritt Schills auf Videocassette vorgespielt bekam. Am Sonntag oder Montag will er noch einmal mit Schill reden, ansonsten sei der Berliner Eklat auch Thema der kommenden Senatssitzung am Dienstag. Einen Tag später wird sich die Bürgerschaft mit dem Fall Schill befassen. Die SPD möchte einen Abwahlantrag Schills in die Debatte einbringen. Wobei die Opposition zumindest bei einigen CDU‘lern auf heimliche Sympathie stoßen dürfte. Ein CDU-Parlamentarier meinte gestern auf Schill angesprochen: „Der gehört eigentlich auf eine Couch.“

siehe auch SEITEN 7,11