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: Fanternder Windbeutel

„Zur Person: Günter Gaus im Gespräch mit FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher“ (Sonntag, 23.35 Uhr, Sat.1)

Das Lager hat sich formiert, die Reihen sind fest geschlossen. Seit an Seit marschieren FAZ und Bild derzeit durch den Wahlkampf. Da war es kaum verwunderlich, dass Bild am Freitag nach der Erstausstrahlung der „Zur Person“-Sendung im ORB den Gast Frank Schirrmacher zum „Gewinner des Tages“ erklärte. Die Erleichterung war sichtlich zu spüren, dass ein Turm in der Schlacht nicht gefallen war: „Jung gegen Alt. Konservativer gegen Sozialist. Unbekümmertheit gegen Kummer. Der TV-Dino Gaus verlor“, meinte Bild und log nur ein wenig. Denn tatsächlich hatte niemand zuvor den FAZ-Herausgeber derart in Bedrängnis gebracht wie Gaus, als er den großen Feuilletonwirbler nach seinen abenteuerlichen Erzählungen zur eigenen Person befragte. Schirrmacher fantert gern über eine Entführung in seiner Jugend, bei der er in Afrika verschleppt worden sei. Und Gaus baute „einem der wichtigsten Männer des 21. Jahrhunderts“ (Time Magazine) eine goldene Brücke: Ob es denn als Feuilletonist nicht erforderlich sei, „Fantast“ zu sein, und Schirrmacher seine Rolle in den von ihm angestoßenen Debatten so verstehen wolle. Schirrmachers Reaktion war verblüffend. Ohne mit der Wimper zu zucken, zog er sich hinter den Schutzschild der Lüge zurück und fanterte weiter über sich und seine Person. So sah sich Gaus zu einem eleganten Ausfallschritt genötigt und bot an, Gewährsleute für seine Informationen zu nennen, zog sich dann allerdings seinerseits mit den ironischen Worten, dass ihn dies „an den Rand einer Indiskretion bringen würde“, vornehm in die Trutzburg traditioneller journalistischer Arbeitsweise zurück. An dieser Stelle hätte der Regisseur das eherne Konzept der Sendung zum ersten und einzigen Mal durchbrechen und nicht den Gast, sondern Gaus zeigen sollen, dessen Gesicht der Zuschauer zu und zu gern gesehen hätte. So blieb die Erkenntnis, dass ein Betrüger immer auch ein Selbstbetrüger ist und dass leider Gaus gescheitert ist. Denn mit dem feinen Florett der Ironie gelingt es nicht annähernd, den Windbeutel Schirrmacher auch nur anzukratzen. MICHAEL RINGEL