Hamburg schillt Schill

Hamburger CDU und FDP sind empört über Schill: eine „schlimme Entgleisung“. Aber Koalition hält

aus Hamburg PETER AHRENS

Ein Jahr hat es gedauert, nun ist der erste Koalitionskrach in Hamburg da. Bürgermeister Ole von Beust (CDU) ließ wissen: Er „missbillige den Auftritt Schills außerordentlich“, man müsse im Senat sicherstellen, dass sich ein solcher Vorfall nicht wiederhole. Koalitionspartner FDP war verhaltener: Man sprach von einer „schlimmen Entgleisung“, versuchte jedoch, sie zu „einem persönlichen Problem Herrn Schills“ herunterzustufen.

Der gescholtene Innensenator und Zweite Bürgermeister kann die Aufregung seiner Koalitionäre nicht nachvollziehen. Von Senatskrise könne keine Rede sein, so Schill. Er habe am Donnerstag lediglich sein Rederecht im Bundestag wahrgenommen. Diesen Auftritt vor nationalem Publikum hatte er allerdings genutzt, um die Finanzierung der Flutfolgen mit der Ausländerpolitik zu verknüpfen: Politiker hätten das Geld zugunsten von Migranten und Flüchtlingen „verfrühstückt“, das nun für die Finanzierung des Wiederaufbaus fehle. Das Plenarprotokoll meldet bei der Union mehrfach „lebhaften Beifall“.

Dann allerdings überzog Schill: Nachdem seine 15-minütige Redezeit abgelaufen war, weigerte er sich, das Podium zu verlassen. Also drehte Bundestagsvizepräsidentin Anke Fuchs (SPD) das Mikrofon ab. Der Innensenator zeterte, die Verfassung werde mit Füßen getreten, und kündigte eine Klage gegen Fuchs an. Daran hielt er auch gestern fest – trotz der massiven Kritik an seinem Auftritt.

Die Opposition in der Hansestadt forderte gestern die Entlassung Schills. Der Mann sei „für Hamburg nicht mehr tragbar“, formulierte SPD-Fraktionschef Uwe Grund. Doch von Beust stellte klar, dass Schill um seinen Posten nicht fürchten muss. Man werde im Senat ausführlich darüber reden, sagte der Bürgermeister gestern. Seinem Stellvertreter empfahl er, „die Form seines Auftritts öffentlich zu bedauern“. Dazu ist Schill jedoch nicht bereit.

Schließlich hat er in seiner Bundestagsrede nichts Neues gesagt. Seine Polemik gegen das Zuwanderungsgesetz und gegen das parlamentarische System sind längst bekannt. Fast alle Formulierungen vor dem Bundestag hat er auch schon auf dem Schill-Bundesparteitag im Mai vorgebracht. Doch von Beust hat diese verbalen Havarien nie öffentlich kommentiert.

Einen inoffiziellen Koalitionär hat Schill allerdings schon verloren: die Hamburger Springer-Zeitungen, die ihn bisher stets sehr wohlwollend begleitet haben. Schill sei „infam“ gewesen, kommentierte der Chefredakteur des Hamburger Abendblattes. Und die Welt schrieb gar einen Nachruf: „Das ist es wohl gewesen. Wer jetzt noch glaubt, mit diesem Mann Politik machen zu können, bewegt sich nicht mehr im demokratischen Sektor.“

So sehen das auch viele Hamburger Unionspolitiker. Der CDU-Bundestagsabgeordnete Volker Rühe nannte Schills Rede „einen beschämenden Vorgang“. Doch wird dies keine Folgen haben. Ein Parlamentarier achselzuckend: „Wir brauchen Herrn Schill nun mal, um an der Regierung zu bleiben.“