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: Auf die Kleinen kommt es an

So hübsch ein guter alter Zweikampf zwischen echten Männern auch anzuschauen sein mag: Allmählich ist es an der Zeit, den faszinierten Blick von den Sympathiekurven für Kanzler und Herausforderer abzuwenden und sich mit den Realitäten der Wahlarithmetik zu befassen. Die sehen ganz anders aus, als derzeit die veröffentlichte Meinung vermuten lassen könnte. Den zwei vermutlich entscheidenden Faktoren schenken die meisten Medien nämlich nur wenig Aufmerksamkeit: der Zukunft der PDS und der Koalitionsentscheidung der FDP.

Kommentarvon BETTINA GAUS

Wer Stoiber einen überzeugenden Wahlsieg und eine satte Mehrheit gönnt, hat guten Grund, über beides nicht zu reden. Sollte die PDS den Einzug in den nächsten Bundestag verfehlen, dann dürfte es – allen Umfragen zufolge – zu einer schwarz-gelben Koalition weiterhin keine Alternative geben. Da mag die SPD sich noch so sehr im Aufwind fühlen. Nimmt die PDS jedoch diese Hürde, dann werden wohl weder Gerhard Schröder noch Edmund Stoiber das Heft der Verhandlungen in der Hand halten. Sondern ausgerechnet jener FDP-Vorsitzende Guido Westerwelle, dem die Medien in den letzten Wochen bescheinigt haben, dass sein Spaßwahlkampf in den Fluten abgesoffen sei.

Ist das so? Immerhin sehen die meisten Institute die FDP weiterhin klar vor den Grünen. Aus alter Gewohnheit werden die Liberalen in Umfragen grundsätzlich dem konservativen Block zugeschlagen. Dafür gibt es keinen objektiven Grund. Warum sollte Westerwelle, dem das gefällige Image einer „neuen FDP“ am Herzen liegt, eigentlich besondere Sympathien für die Neuauflage einer alten, vor vier Jahren als völlig verstaubt geltenden Koalition hegen?

Hermann Otto Solms, gewiss kein Freund der Sozialdemokraten, hat kürzlich betont, dass sich manche sozialpolitischen Vorstellungen der FDP mit der SPD vermutlich leichter durchsetzen ließen als mit den Unionsparteien. Zufall? Wohl kaum. In einer sozialliberalen Koalition können die Liberalen vermutlich größeres Profil gewinnen als in einem Bündnis mit den Konservativen.

Das lässt Wählerinnen und Wählern, die einen Rechtsruck in Deutschland verhindern möchten, eine wenig komfortable Wahl: nämlich die zwischen großer Koalition und einem Bündnis zwischen SPD und FDP. Um das zu erreichen, können sie entweder die PDS wählen oder die Sozialdemokraten. Und die Grünen? Haben sich in die Bedeutungslosigkeit taktiert.

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