Alter Wein in neuen Schläuchen

Ohne Rücksicht auf Verluste: Bildungsbehörde strukturiert berufliche Integration von Migrantinnen grundlegend um und gefährdet dadurch die Arbeit bewährter Einrichtungen im Schanzenviertel und in Altona

von MARCO CARINI

Auf die Feier fiel ein dunkler Schatten. Als die Mitarbeiterinnen des Aizan vergangene Woche das elfjährige Jubiläum ihrer Einrichtung feierten, war die Stimmung gedrückt. Der Grund: Der elfte Geburtstag der Anlaufstelle für junge Migrantinnen könnte der letzte sein. Wie die taz am Samstag berichtete, stehen mehrere Projekte, die die Integration ausländischer Mädchen in Ausbildung und Beruf fördern, ganz oben auf der Streichliste der Bildungsbehörde.

Darunter befinden sich das Inci in Altona und das im Schanzenviertel beheimatete Aizan. Zwar hüllt sich die Behörde offizell in Schweigen, informell bekamen die Einrichtungen aber signalisiert, dass 2003 für sie kein Geld mehr zur Verfügung steht.

Aizan und Inci machen seit über einem Jahrzehnt junge „Ausländerinnen“ für den Arbeitsmarkt fit. Sprachkurse werden angeboten, Berufsperspektiven entwickelt und Bewerbungsunterlagen gemeinsam zusammengestellt. In enger Zusammenarbeit mit Schulen, Arbeitsämtern und Betrieben sollen die Nachteile der jungen Frauen auf dem Arbeitsmarkt über solche „ausbildungsvorbereitenden Hilfen“ ausgeglichen werden.

„Ohne das Aizan hätte ich meine Lehrstelle nie bekommen und meine Ausbildung nie geschafft“, erzählt eine junge Türkin, die von der Anlaufstelle betreut wird. „Hier wird erfolgreich Chancengleicheit hergestellt“, lobt Wolf Rehfeld, Berufsberater im Arbeitsamt Hamburg-Mitte, das Aizan. „Dieses Projekt hat sich über Jahre bewährt. Dass Ole von Beust die berufliche Integration von Migranten zur Chefsache erklärt hat und so ein Projekt über die Klinge springt, passt nicht zusammen“.

Vielleicht aber doch: Gerade weil die Behörde auf Weisung des Bürgermeisters alte, unter Rot-Grün nicht umgesetzte Konzepte aus der Schublade zog, um sie als neue, innovative Projekte des neuen Senats zu vermarkten, fehlt nun das Geld für jahrelang bewährte Träger. So kündigte von Beust an, im September eine „Koordinationsstelle für die Integration jugendlicher Ausländer“ einzurichten, und durch sogenannte „Casemanager“ SchülerInnen bei der Berufsorientierung individuell zu betreuen.

„Die Senatskonzepte sind weder neu, noch wurde bei der Planung am grünen Tisch auf die jahrelange Erfahrung der Fachleute in den Einrichtungen zurückgegriffen, die diese Vorgaben jetzt umsetzen sollen“, beklagen die Mitarbeiterinnen von BAMBA und ELLA, zwei Berufsintegrations-Projekten in Harburg und Billstedt. Sie sind nicht von der Schließung bedroht, müssen ab Herbst aber Konzepte umsetzen, deren Inhalt sie im Detail noch nicht einmal kennen. Klar ist nur: Die Einrichtungen sollen ganze Klassen ausgewählter Schulen bei der Berufsfindung betreuen. „Mädchen die individuell Hilfe suchen, stehen dann bei uns vor verschlossenen Türen“, beklagen die Pädagoginnen.

Geschlossen werden dann womöglich auch die Türen des Aizan in der Juliusstraße sein. Obwohl Mietvereinbarung und Arbeitsverträge nicht ad hoc zu kündigen sind, werden die Mitarbeiterinnen wohl erst im Dezember - wenn die Zuwendungsbescheide der Behörde verschickt werden - endgültig erfahren, ob sie wenige Tage später arbeitslos sind. Für Hatice Akkermann vom Aizan eine Situation, „unter der es sich schon heute weder vernünftig arbeiten noch planen lässt“.