Kino fett in Oldenburg

Nach Cannes wollten sie eigntlich nie mit ihren Filmen. Sondern immer schon in die Provinz. Nach Oldenburg. Am Mittwoch beginnt dort nämlich wieder das 9. Filmfest

Tributes an obskure Filmemacher, schrille Werke: der „Mitnite Express“

Beim Dreh geht alles daneben, bis der Regisseur entnervt das Handtuch wirft und schimpft: „Dieser Film wird nie nach Cannes oder Venedig eingeladen werden, sondern höchstens nach Oldenburg!“ Da hellen sich plötzlich die Gesichter aller Schauspieler auf, denn da wollten sie ja eh viel lieber hin! Dieser Trailer des Oldenburger Filmfests spielt wieder schön mit dem Image des kleinen dreckigen Festivals in der Provinz.

Der Organisator Torsten Neumann weiß inzwischen genau, wo die Stärken und Schwächen dieser Veranstaltung liegen. Nicht die Cineasten sondern das junge Publikum soll angesprochen werden, nicht Filmkunst sondern Kultfilme werden hier gezeigt: lieber dreckig als poliert, lieber billig als kalkuliert, lieber frech als kultiviert!

Und mit dem Erfolg der im letzten Jahr für das Filmfest produzierten „99 Euro“ Kurzfilmrolle wurde Oldenburg auch überregional als Filmstadt bekannt. Da wird jetzt natürlich nach dem gleichen Rezept nachgeschoben: Diesmal gibt es eine Staffel mit 9 Kurzfilmen, die europäische Filmemacher wie der Spanier Nacho Cerda, der Brite Richard Stanley und der Belgier Harry Kümel mit einem Budget von 99 Euro gedreht haben.

Harry Kümel? Kennen Sie nicht? Als Stammgast in Oldenburg hätten Sie ihn vor zwei Jahren kennen gelernt, denn damals wurde eine Retrospektive seiner experimentellen Horrorfilme gezeigt, und er selber erzählte dabei sehr unterhaltsam von seiner Arbeit mit Orson Welles und dem „sauschlechten“ Matthieu Carrière. Auch diese Tradition der Werkschauen und „Tributes“ an obskure Filmemacher, die sich dann manchmal als wirkliche Entdeckungen erweisen, wird in diesem Jahr weitergeführt: Der britische Filmemacher Bernard Rose begann mit Videos, machte in Hollywood Filme wie „Candyman“ und „Anna Karina“ und ist nun in Oldenburg angekommen. Der Franzose Edouard Nierman hat immerhin in den 80er Jahren mit „Engel aus Staub“ einen der interessantesten europäischen Neo-Noir-Filme gedreht. Beide gelten als eigenwillig, ihre Filme als schräg: perfekte Gäste für Oldenburg.

Originell ist auch die Programmschiene „Debüts im NDR“, denn hier werden die in Hamburg produzierten Erstlingswerke von inzwischen renomierten deutschen Filmemachern bekannt. Wolfgang Petersen begann etwa seine Karriere nicht wie vermutet mit dem Tatort „Reifezeugnis“, sondern 1971 mit dem wilden Kinomärchen „Ich werden Dich töten, Wolf“. Während andere kleinere Festivals sich für ihre „internationale Reihe“ als sichere Miete meist Previews von Hollywood-Hits in die Programme holen, setzt man auch hierbei in Oldenburg auf Geheimtipps, in denen Filmstars eher zufällig zu sehen sind.

Spannender sind erfahrungsgemäß die Filme in der „Independent Reihe“, denn in ihr zahlen sich die guten Kontakte des Festivals zur amerikanischen Independentszene aus. Und für die schrillen Werke wurde die Sektion „Midnite Express“ neu eingerichtet: Dort sind Actionkino aus Thailand, ein Skandalfilm aus Korea und eine kanadische Trash-Komödie mit dem schönen Titel „Jesus Christ Vampire Hunter“ zu sehen.

Der Eröffnungsfilm ist traditionell aus Deutschland, damit auch ganz bestimmt Regisseur und Hauptdarsteller kommen. Diesmal ist es ein gelungenes, mit groteskem Witz erzähltes Familienporträt: „Mein Bruder der Vampir“ des aus Oldenburg stammenden Sven Taddicken zeigt die ersten sexuellen Erfahrungen von drei gelinde gesagt merkwürdigen Jugendlichen. Vielleicht ein bisschen gewagt für die feine Gesellschaft der Stadt, die sich jedes Jahr wieder zum Eröffnungsabend zu Sekt und Schnittchen trifft. Da kann man sich dann beim Smalltalk schön über die Inzestszene empören.

Wilfried Hippen

Das Oldenburger Filmfest findet vom 4. bis zum 8. Septemebr statt. Programme liegen in verschiedenen Kinos auch in Bremen aus oder können unter www.filmfest-oldenburg.de angesurft werden.