Gedenkstein für Chris Gueffroy

Ein „Beitrag für die innere Einheit der Stadt“: 13 Jahre nach dem Tod des letzten Maueropfers entschließt sich Berlin zum Gedenken. Mutter Karin Gueffroy wünscht sich zudem schlichte Holzkreuze für alle Maueropfer in der Stadt

„Ich habe mich sehr gefreut“, sagte Karin Gueffroy, Mutter des am Mauerstreifen erschossenen Chris Gueffroy, gestern zur taz. Sie selbst habe nie daran gedacht, ein Denkmal für Chris zu fordern. Vielmehr sei sie von der Initiative der Grünen überrascht worden. Erst in der Nacht zum Freitag hatte das Berliner Abgeordnetenhaus einstimmig beschlossen, dem in der Nacht vom 5. auf den 6. Februar 1989 vom DDR-Grenzsoldaten ermordeten 20-Jährigen einen Gedenkstein zu errichten.

Überraschend schnell hatten sich die Fraktionen auf eine Abstimmung zum Grünen-Antrag geeinigt. Grünen-Verkehrsexperte und Mauerweg-Wanderer Michael Cramer hatte in seiner Antragsrede daran erinnert, dass an der Berliner Mauer rund 200 Menschen den Tod fanden. Das erste Opfer des DDR-Grenzregimes war am 24. August 1961 Günter Litfin, als er versuchte, durch den Humboldthafen an das westliche Ufer zu schwimmen. Das letzte Opfer wurde Chris Gueffroy, der gemeinsam mit einem Freund versuchte, durch den Britzer Verbindungskanal nach Westen zu gelangen. Der 20-Jährige habe partout nicht zur Nationalen Volksarmee gewollt und hatte Gerüchten geglaubt, wonach der Schießbefehl außer Kraft gesetzt worden sei.

„Das Schicksal von Chris Gueffroy bewegt uns auch deshalb so sehr“, erklärte Cramer, „weil es angesichts der weiteren politischen Entwicklung, dem Fall der Mauer im November 89, besonders tragisch ist.“ Das Votum der Berliner Abgeordneten sei, so Cramer, „nach fast 13 Jahren, ein Beitrag für die innere Einheit dieser so lange gespaltenen Stadt“.

„Ich dachte nur: Chris, das hast du verdient.“ Denn, so die Mutter, schließlich hätten all diese Opfer ihr Leben gelassen für die Freiheit. „Ich fände es daher sehr gut, wenn man an den Orten, wo Menschen durch DDR-Grenzsoldaten erschossen wurden, einfache Holzkreuze aufstellen würde oder kleine Plaketten an den Häusern aufhinge.“ Dann könnten Schulklassen oder Besucher zu den Stellen in Neukölln oder in Mitte gehen und sich anschauen, wo Menschen niedergeschossen wurden, meint Gueffroy. Cramer schwebt vor, spätestens zum 50. Jahrestag des 17. Juni den Gedenkstein einzuweihen. Chris’ Mutter fände das Datum seines Todestages, den 5. Februar, passend.

Heute vor 11 Jahren begann der erste Mauerschützen-Prozess vor dem Berliner Landgericht: nämlich der gegen die Todesschützen von Chris Gueffroy.

ADRIENNE WOLTERSDORF