nebensachen aus peking
: Wie chinesische Wanderarbeiter die Wohnung des Peking-Korrespondenten renovierten

Nie wieder Lehmfußboden

Die emigrierten Handwerker aus der südchinesischen Provinz Anhui am Jangtse-Fluss wussten natürlich nicht, worauf sie sich eingelassen hatten, als sie in diesem Sommer den Auftrag übernahmen, unsere Pekinger Wohnung zu renovieren. Schon die Vorverhandlungen waren außergewöhnlich verlaufen: Statt die Auftragssumme zu drücken, hatten wir uns darauf beschränkt, Qualitätsanforderungen festzulegen und den Chef der kleinen Arbeitertruppe darauf zu verpflichten, jeden Tag am Arbeitsort zu erscheinen – was sich angesichts des Pekinger Verkehrschaos schnell als völlig vermessen erwies.

Auch der Zeitplan der Arbeiter geriet bald aus den Fugen, weil eine Mieterin unter uns, die als Hauptdarstellerin einer TV-Serie über das alte chinesiche Hofleben hohes Ansehen im Haus genießt, bei jedem Hammerschlag wegen der Lärmbelästigung protestierte. Dergleichen Ansprüche ihrer neureichen Mitbürger waren den Arbeitern vom Land unbegreiflich. Sie wollten zehn Stunden am Tag und auch am Wochenende arbeiten. Es folgten langwierige Verhandlungen, in denen unsere demokratisch gewählte Mieter- und Eigentümervertretung schließlich für einen Kompromiss sorgte: Wochentags durfte nun morgens von 9 bis 12 Uhr und nachmittags von 14 bis 18 Uhr gehämmert werden. So blieben die Handwerker fast vier Wochen bei uns.

Wohl nie zuvor mussten die Arbeiter aus ihrer Sicht so hässliche Dinge verrichten. Einfaches Kiefernholz zu Fensterbrettern zu sägen, erschien ihnen als Frevel: „Da nehmen doch reiche Leute wie Sie Marmor.“ Auf ähnliches Entsetzten stieß die von uns bestellte Rauhfasertapete. „Es gibt doch in China jetzt so viel Tapeten zur Auswahl“, erklärte man uns den Fortschritt im Land. Unmöglich war auch unsere Wahl erdbrauner Kacheln für den WC-Fußboden. Die Handwerker erinnerte die Farbe an den Lehmfußboden von Bauernhütten. Also wurde umgetauscht, damit unsere chinesische Gäste in Zukunft nicht lästern. Wie wir uns überhaupt nur im Groben durchsetzen konnten: Türschlösser wurden gemeinsam bestellt, doch im Endeffekt andere gekauft. „Die sehen doch genauso aus“, erklärte man uns und hatte davor mit Sicherheit einen anständigen Rabatt kassiert.

Der große Showdown am Ende konnte folglich nicht ausbleiben. Das neue chinesischen Bauvertragsrecht sieht vor, dass die letzten 20 Prozent der Auftragssumme erst nach zufriedenstellender Ausführung gezahlt werden und die war für deutsche Ansprüche so zufriedenstellend nicht. Mehrmals wurde nachverhandelt. Vier Stunden schwiegen wir uns bei der letzten Runde an. Dann zahlten wir natürlich doch das meiste. Welcher Chinese ist sonst schon bereit, so lange Zeit mit Ausländern zu verhandeln ohne laut und ärgerlich zu werden?

Das aber war die angenehme Erfahrung der letzten Wochen: Es herrschte kein rüder Ton unter den Arbeitern. Unter ihnen befanden sich Verwandte des Chefs, alle kamen aus der gleichen Provinzregion. Ihr Zusammenhalt war spürbar, als wir schließlich nach deutscher Sitte zum Ende der Arbeiten eine kleines Handwerkerfest hielten. Das stiftete erneut Verwirrung: Denn Respekt von ihren Auftraggebern sind die Wanderarbeiter im neureichen Teil Chinas nicht gewöhnt. GEORG BLUME