Lavieren zwischen Washington und Brüssel

Von den Beitrittskandidaten erlagen nur die Rumänen dem amerikanischen Druck, US-Bürger nicht an das Strafgericht auszuliefern

BERLIN taz ■ Politische Nachrichten aus Rom bedeuten meistens nichts Gutes. So sind die historisch belasteten Beziehungen zwischen Italien und Slowenien seit langem gestört. Doch seit dem Wochenende kommen aus Rom erstmals Signale, die die Slowenen aufhorchen lassen. Italiens Ministerpräsident und Außenminister Silvio Berlusconi erklärte auf dem EU-Außenministertreffen, im Streit mit den USA über die Rolle des neuen Internationalen Strafgerichtshofes dürften die EU- und Nato-Anwärter wie Slowenien nicht aufgerieben werden. Deshalb müssten die Europäer den Vereinigten Staaten entgegenkommen.

Was mag ausgerechnet den rechten Populisten Berlusconi bewegen, sich als neuer Vermittler zwischen Brüssel, Washington und den Ostmitteleuropäern aufzuspielen? Ziehen hinter der Initiative die Amerikaner die Fäden, um die Front der EU-Staaten bei den Themen Irak-Krieg und Strafgerichtshof aufzubrechen?

Tatsache ist, dass die US-Administration alle Regierungen vom Baltikum bis zum Balkan Anfang August zum Abschluss bilateraler Abkommen gedrängt hat, die eine Auslieferung von US-Bürgern an das internationale Tribunal verhindern sollen. Müssten die USA politisch motivierte Anklagen gegen ihre Soldaten befürchten, so der Inhalt der „diplomatischen Anfrage“, dann könnten sie ihr Engagement in Europa nicht länger aufrechterhalten – eine klare Warnung, die Truppen vom Balkan abzuziehen und die Nato-Osterweiterung zu blockieren.

Die meisten ostmitteleuropäischen Staaten sahen sich nach dieser Drohung in ein ernstes Sicherheitsloch gestoßen. Denn US-Soldaten sichern nicht nur im Rahmen von UNO-Missionen den Frieden in Bosnien, dem Kosovo und Mazedonien. Auch in Albanien sorgen US-Boys für Ruhe und Ordnung. In Bulgarien und Rumänien tummeln sich größere „Expertengruppen“ innerhalb der Streitkräfte, um die Armeeverbände logistisch und technisch auf den neuesten Stand zu bringen. In Polen, Tschechien und der Slowakei beraten amerikanische Militärs ganz offiziell die Heeresleitung. In den baltischen Staaten geschieht Gleiches – nur weniger transparent, um russische Empfindlichkeiten nicht zu provozieren.

Polen, Tschechen und Ungarn, die ersten Nato-Neumitglieder seit dem Ende des Kalten Krieges, hielten sich denn auch zurück. Weder die Medien noch die Politiker kommentierten das Verhältnis zwischen den Vereinigten Staaten und den Europäern. Sie wollen zunächst abwarten, zu welchem Kompromiss sich die EU am Ende durchringen wird.

Die Rumänen, schon zu Zeiten des Warschauer Pakts außenpolitische Sonderlinge, unterzeichneten als einzige das gewünschte Abkommen, das amerikanische Soldaten auf rumänischem Territorium vor der Verfolgung durch den Strafgerichtshof schützt. Damit sei das Signal für gute Beziehungen zu einem „sehr wichtigen Nato-Mitglied“ gegeben worden, erklärte die Regierung. Die Kritik aus Brüssel ließ die Politiker in Bukarest kalt. Denn sie wissen, dass sie in der ersten Runde der EU-Osterweiterung ohnehin nicht dabei sind. Wenn sie sich nicht unterwürfig auf die Seite Amerikas stellen, rückt auch eine Nato-Mitgliedschaft in weite Ferne.

Bulgarien reagierte auf das amerikanische Drängen mit balkanischem Trotz. Obwohl das bitterarme Land vor dem gleichen Dilemma steht wie Rumänien, vertraut die Regierung auf Brüssel. „Wir sind ein europäisches Land“, erklärte Außenminister Petko Draganow, „und das werden wir auch der EU beweisen.“ Das oberste Verfassungsgericht soll nun prüfen, ob der US-Sonderweg überhaupt mit den Statuten des Internationalen Strafgerichtshofs vereinbar sei. Ähnliche Schritte veranlasste auch der kroatische Präsident Stipe Mesic, der seiner Kritik am amerikanischen Sonderweg freien Lauf ließ. Gegenüber amerikanischen Medien erklärte der Kroate: „Zweierlei Rechtsmaß untergräbt jede Rechtsprechung.“ Wenn alle Länder mutmaßliche Kriegsverbrecher an den Gerichtshof ausliefern müssten, „dann, bitte schön, auch Amerika“.

Beim Nachbarn Slowenien reagierte man mit südländischem Pragmatismus. Da man EU- und Nato-Anwärter sei und zudem Mitbegründer des UN-Tribunals, müssten alle Implikationen dieser „komplexen Frage“ ausführlich analysiert werden, erklärte die Regierung ausweichend. Bevor es eine Entscheidung fälle, wolle Slowenien alle „diplomatischen Möglichkeiten ausschöpfen“ – bei Europäern, Amerikanern und unmittelbaren Nachbarn wie Italien.

ROLAND HOFWILER