Knapp 10.000 ohne Ausbildungsplatz

Obwohl Berlin von den 18.000 versprochenen Ausbildungsplätzen weit entfernt ist, behauptet der Senat hartnäckig: „Wir bieten jedem, der sucht, eine Lehrstelle an.“ An Traumjobs glaubt ohnehin nur noch ein Drittel der Azubis

Zu Beginn des neuen Ausbildungsjahres sind in Berlin noch immer 9.798 Bewerber ohne einen Ausbildungsplatz. Das sind nach Angaben des Landesarbeitsamtes 475 mehr als im Vorjahr. Bislang sind 2.961 Berliner Ausbildungsplätze unbesetzt. Ganz oben auf der Angebotsliste stehen unter anderem FrisörInnen und ArzthelferInnen. „Das heißt nicht automatisch, dass es dafür keine Bewerber gibt“, so Arbeitsamtssprecher Klaus Pohl zur taz. „Viele Betriebe sind einfach wählerischer geworden.“

So gebe es zum Beispiel bei Stellen für Rechtsanwalts- und NotargehilfInnen oder Verwaltungsfachangestellte eine hohe Bewerberzahl, oftmals blieben Stellen aber durch „Missmatching“, das heißt mangelnde Eignung, letztlich unbesetzt.

Ganz unten in der Beliebtheitsskala der BewerberInnen stehen: Bäcker, Verkäufer und Kfz-Mechaniker. Doch auch diese Ausbildungsplätze finden letztlich meist noch Interessenten, wenn nichts anderes mehr geht. „70 Prozent der Jugendlichen passen sich den Realitäten an“, so Pohl. Im Klartext: Sie verzichten auf ihren Wunschberuf.

Die Senatsverwaltung für Wirtschaft steht weiter zur Maxime: „Wir bieten jedem einen Ausbildungsplatz“, so ein Sprecher. Vieles werde sich bis Oktober noch klären, viele Unternehmen entschieden erst nach Beginn des Ausbildungsjahres, ob sie noch einen Azubi einstellen. Arbeitsamtsprecher Pohl schätzt indes, dass auch zum Monatsende noch 2.000 bis 2.500 ohne einen Ausbildungsplatz dastehen. Ohne staatlich finanzierte Programme zur außerbetrieblichen Ausbildung, schätzt Pohl, wären es noch 6.000 bis 7.000 mehr. Er ärgert sich über die „Subventionsmentalität der Berliner Unternehmen“. Es sei doch die ureigenste Aufgabe der Wirtschaft, Arbeitskräfte, die sie braucht, auch auszubilden. 18.000 Lehrstellen hatten Arbeitgeber für 2002 versprochen – die Realität ist weit davon entfernt. Zwar darf die Hälfte der Berliner Unternehmen ausbilden, aber nur ein Viertel tut es.

2001 lag Berlin in der Ausbildungsstatistik nur noch ganz knapp vor den neuen Bundesländern. Die Zahlen für dieses Jahr liegen noch nicht vor. Aber Berlin wird auf keinen Fall besser dastehen als im Vorjahr.

ANETT KELLER