lehrstellen
: Mehr Druck auf die Wirtschaft

Das Leben kann so einfach sein: Wenn man jung ist, gute Noten hat und, sagen wir, Bäcker werden will, stehen einem alle Türen offen. Ist einem Aufstehen um zwei Uhr morgens zu früh, läuft man Gefahr, als unwillig zu gelten. Der Senat betont zwar gern, dass er für jeden eine Ausbildungsstelle hat. Die Jugendlichen müssten aber auch wollen. Nur, was für die Jugendlichen gilt, zählt für die Wirtschaft noch lange nicht: Sie muss nicht unbedingt wollen. Dafür hat man im Senat Verständnis: Die Lage sei schlecht und Ausbildung teuer.

Kommentar von ANETT KELLER

Um einen Ausgleich zu schaffen, springt der Staat ein. Die resignierte Argumentation der Politik lautet dabei: Wenn die Azubis nach einer staatlich geförderten Lehre nicht übernommen werden, haben sie wenigstens ein Zeugnis. Die Sache hat nur einen Haken: Wenn es um eine Stellenbesetzung geht, ist den Unternehmen eine betriebliche Ausbildung nämlich sehr wohl wichtig – als Einstellungskriterium. Zu viel Verständnis mit der Wirtschaft ist also fehl am Platze.

Wenn Anreize à la Verbundausbildung, mit der Unternehmen ihre Kosten verringern können, nicht helfen, muss stärkerer Druck ausgeübt werden. Dass nur die Hälfte der Unternehmen, die ausbilden könnten, auch ausbilden, ist ein Skandal. Warum also nicht die Vergabe öffentlicher Aufträge an Ausbildung koppeln? Oder eine Ausbildungsabgabe erneut ins Gespräch bringen? Die ist zwar nur auf Bundesebene durchsetzbar – ein rot-roter Senat dürfte sich aber durchaus stärker dafür einsetzen. Stattdessen hofft er, dass sich das Problem von allein löst. Demnächst kommen schließlich geburtenschwache Jahrgänge. Bis dahin empfiehlt Wowereit: „Immer wieder bewerben, die Türen des Arbeitsamtes sind immer offen.“

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