Im Glashaus gegen Japans Betonfraktion

Der parteilose Reformer Yasuo Tanaka, Feind der Bauindustrie, wurde wieder zum Gouverneur Naganos gewählt

In Japan bewegt sich doch etwas: Ausgerechnet in der konservativen zentralen Bergpräfektur Nagano ist der parteilose Reformer Yasuo Tanaka am Sonntag mit 65 Prozent der Stimmen gegen fünf andere Kandidaten wieder zum Gouverneur gewählt worden. Dabei hatte erst sieben Wochen zuvor das Provinzparlament dem schrillen Populisten und Tabubrecher das Misstrauen ausgesprochen. Statt darauf das Parlament aufzulösen oder zurückzutreten, bestand Tanaka auf seiner Entlassung – der überhaupt erst zweiten in Japans Geschichte – und erhoffte sich davon Rückenwind. Die Rechnung ging auf. Tanaka bekam jetzt mehr als doppelt so viele Stimmen wie die bestplatzierte Gegenkandidatin.

Der 46-jährige Tanaka war vor dem Weg in die Politik vor zwei Jahren – damals wurde er zum jüngsten Gouverneur Japans gewählt – schon als Romanschriftsteller ausgezeichnet geworden. In schwülstigen Kolumnen pflegte der Exzentriker zudem sein sexuelles Liebesleben auszubreiten. In seinem Amt führte Tanaka dann einen neuen Stil ein: Er zog in ein Büro aus Glas, um auch optisch für Transparenz zu sorgen.

Bei seiner jetzigen Wiederwahl wurde Tanaka hauptsächlich dafür belohnt, dass er einen für japanische Verhältnisse unerhörten politischen Machtkampf gewagt hatte: Er legte sich frontal mit Nippons mächtiger Bauindustrie an. Er sagte den Bau von zwei Staudämmen ab, andere nahm er aus der Planung. Statt die hoch subventionierte Industrie oder das Präfekturparlament überhaupt zu konsultieren, trat er lieber in Fernsehshows auf und suchte auf öffentlichen Versammlungen den Kontakt zur Bevölkerung. Seinen Gegnern, die ihm autoritäre Methoden vorwerfen und auch seine extravanganten Anzüge mit den schrillen Broschen verachten, kontert er schon mal mit den Worten, sie sollten doch nach Nordkorea auswandern.

Die Bauindustrie ist Hauptnutznießer von Tokios zahlreichen milliardenschweren Konjunkturprogrammen. Sie machten Japan zum höchstverschuldeten Industrieland. Doch während die Landschaft zubetoniert wurde und die Umwelt leidet, blieb der wirtschaftliche Nutzen der Bauprojekte begrenzt. Davon kann auch Nagano, wo für die Olympischen Winterspiele 1998 teure Prestigebauten errichtet wurden, ein Lied singen. Japans korruptionsgeplagte Bauindustrie ist neben der Landwirtschaft die mächtigste Lobby und mit der „ewigen Regierungspartei“ LDP eng verflochten. Die mächtige Bauindustrie wurde so zum Symbol für die Reformunfähigkeit der japanischen Politik.

Ausgerechnet der unabhängige Tanaka, der keine Parteimaschinerie im Hintergrund hat, zeigt nun dem ebenfalls als Reformer angetretenen, aber inzwischen eher als Zauderer bekannten Ministerpräsidenten Junichiro Koizumi, dass mit Unterstützung der Bevölkerung sehr wohl Reformen gegen den Willen mächtiger Lobbygruppen möglich sind. Beobachter sehen Tanakas Wahlsieg als Rückenwind für Koizumi. Doch der selbstbewusste Tanaka sieht das anders: „Koizumi kam aus dem Innern der LDP an die Macht und ist kein echter Reformer. Denn die LDP braucht ihn, um ihren eigenen Untergang zu verhindern. Er ist wie ein Ringer, das heißt, seine Reformen sind nur Show.“ Das Establishment fürchte keine Ringer, sondern nur Boxer. „Ich bin ein Boxer.“ SVEN HANSEN