Wieder Atom-Skandal in Japan

Reaktorzentralen sollen jahrelang Prüfberichte gefälscht haben. Regierung weiß seit zwei Jahren davon. Haftstrafen im Verfahren zum Atomunfall in der Verarbeitungsanlage gefordert. Kernenergieprogramm läuft weiter

TOKIO/BERLIN taz/dpa ■ Japan wird drei Jahre nach dem schwersten Atomunfall in der Geschichte des Landes von einem neuen Skandal um die Vertuschung von Schäden an Atomreaktoren erschüttert. Japans größter Betreiber, Tokyo Electric Power (Tepco), hat zugegeben, dass offenbar jahrelang Berichte über Risse in Atomreaktoren, unter anderem in Reaktordruckbehältern, gefälscht worden sind. Als Konsequenz aus dem Skandal kündigten fünf Spitzenmanager der Firma, darunter Präsident Nobuya Minami, am Montag ihren Rücktritt an.

Der Fall hat erneut Zweifel an der Sicherheit japanischer Atomanlagen geweckt. Im Prozess um den Atomunfall in Tokaimura vom 30. September 1999, bei dem zwei Arbeiter der Betreiberfirma JCO ums Leben gekommen und 600 Menschen radioaktiver Strahlung ausgesetzt worden waren, forderte die Staatsanwaltschaft am Montag Haftstrafen für sechs führende Manager. Bei dem Unfall in einer Uranverarbeitungsanlage war es zu einer Kettenreaktion gekommen, als Mitarbeiter unerlaubt mit Eimern zu hohe Mengen Uranlösung in einen Tank füllten.

Spätestens seit diesem Fall ist die Öffentlichkeit des Landes über Sicherheitsmängel in Atomanlagen beunruhigt. Tepcos Reaktor Kashiwazaki-Kariwa in der Provinz Niigata ist der größte Reaktorstandort der Welt. Die sieben dortigen AKW haben eine Nettoleistung von zusammen 8.000 Megawatt. Dort und an den Standorten Fukushima I und II sollen Reparaturberichte gefälscht worden sein.

Bereits vor zwei Jahren informierte ein Mitarbeiter der von Tepco mit Inspektionen beauftragten Firma GEII, Tochter des US-Stromkonzerns GE, das Industrieministerium über Betrug bei Inspektionsergebnissen. Öffentlich wurde der Fall durch das Ministerium jedoch erst jetzt gemacht. Danach sollen bei Tepco seit 1986 bis Mitte der Neunzigerjahre in mindestens 29 Fällen Inspektionsberichte über Risse in 13 Atomreaktoren gefälscht worden sein. Die betroffenen Meiler sollten künftig im „Plutonium thermal“-Programm der Regierung eine zentrale Rolle spielen und mit Plutonium-Uran-Mischoxid-Brennstäben betrieben werden.

Greenpeace warf der japanischen Regierung vor, Informationen über den Fall zurückgehalten und zugleich behauptet zu haben, die Reaktoren seien sicher. Das rohstoffarme Japan hält bisher strikt an seiner Kernenergiepolitik fest. 36 Prozent des Stroms werden von AKW produziert. REM