Das Matthias-Claudius-Festival

„Der Mond ist ...“, Wasserfall, „Kaiser Walzer“: „Musik und Licht am Hollersee“ lockt mit Traditionen

Die BremerInnen sind wetterfest, open-air begeistert und ihrer Traditionen bewusst. Eine davon ist das Konzert „Musik und Licht am Hollersee“, das dieses Jahr zum offiziell fünfzehnten Mal aufgeführt wird. Das 13. Mal hatte man sich erspart, um das Wetter zu foppen. Tricky sind die BremerInnen nämlich auch.

Zudem noch sinnenfroh und hungrig. Ganz wie beim „Sommer in Lesmona“ nimmt man am Hollersee opulente Freiluftdinners zu sich, während das Jugendsinfonieorchester Bremen-Mitte der Musikschule aufspielt – eine Picknick-Leidenschaft, die gelegentlich überhand zu nehmen droht. Parkdirektor Werner Damke: „Viele bringen ihren halben Kühlschrank mit, was für Platz- und Abfallprobleme sorgt.“

So legt euch denn, ihr Brüder, in Gottes Namen nieder

Kein Wunder, bei rund 25.000 ZuhörerInnen. Aus acht Lautsprechertürmen werden sie beschallt: Unter anderem mit Dvorák, Mozart, Bizet – und wie jedes Jahr: dem Strauß‘schen „Kaiser Walzer“ und Henry Woods „Sea Songs“. Versuche, diese Programmpunkte zu variieren, stießen in der Vergangenheit auf geharnischte Proteste. Auch die vier Zugaben und die Moderation durch Hans-August Kruse sind unverrückbare Konstanten. Eine weitere lieb gewordene Tradition: Händels „Feuerwerksmusik“. Bei ihr wird sich der Hollersee in einen Wasserfall verwandeln.

Wir spinnen Luftgespinnste und suchen viele Künste

Das ebenfalls traditionsbewusste Plakat zeigt die Bühne noch am alten Platz vor dem Parkhotel. Doch schon vergangenes Jahr haben die MusikerInnen die Seeseite gewechselt und sich vor der (gesperrten) Hollerallee postiert. Was eine ganze Reihe von Vorteilen bringt, da der Wind aus Richtung Stadt mit all ihrem Lärm zu wehen pflegt. Dieses Mal ist sogar die Fußgängerampel abgeschaltet, deren Surren sich vergangenes Jahr per Mikro ins musikalische Geschehen mischte.

Klassik von und für Jugendliche, draußen und umsonst: Die 40 bis 50.000 Euro, die die Veranstaltung kostet, sind vollständig durch Sponsoren gedeckt. Die Einnahmen aus dem Verkauf der Fackeln (mittlerweile hat sich das Spendenaufkommen bei 10.000 Euro eingependelt) kommen unter anderem der Pflege der Linden an der Hollerallee zu Gute.

Wir stolze Menschkinder sind eitel arme Sünder ...

Die zweite Hälfte fließt in die Jugendmusikarbeit: Anfang Oktober sind jugendliche MusikerInnen aus 20 Ländern in Bremen, um ein gemeinsames Programm zu erarbeiten. Dieses „Internationale Jugendsinfonieorchester“ wird unter anderem am 12. Oktober in der „Glocke“ zu hören sein. Abgesehen vom guten Zweck gilt: Je mehr Fackeln brennen, desto weniger Mücken mischen sich ein.

... und wissen gar nicht viel

Die offene Frage des Abends: Wie groß die Zuwachsrate an Textsicherheit ist, die das Publikum bei den fünf Strophen von „Der Mond ist aufgegangen“ von Matthias Claudius an den Tag beziehungsweise die Nacht legen wird, mit denen das Konzert traditionell endet. Hans-August Kruse: „Leider haben die 14 Jahre bisher nicht ausgereicht, damit das Publikum wesentlich über die erste Strophe hinauskommt.“

Auch vor dem heimischen Fernsehapparat kann man dieses Jahr einstimmen: Der Offene Kanal Bremen sendet eine „Live-Übertragung“. Die ist allerdings um eine halbe Stunde zeitversetzt, da die wechselnden Kamerakassetten per Eilbote in‘s Studio an der Findorffstraße transportiert werden.

Henning Bleyl

Am 15. September ab 20 Uhr. Anfahrt vorzugsweise über Sonderfahrzeuge der BSAG, Infos unter ☎(0421) 55 96 333