berliner szenen Neue Perspektiven

Auf nach Staaken

Zwei junge Männer sitzen in einer hässlichen Gaststätte am Rande von Mitte. Es ist Samstagabend gegen 23 Uhr. Eine aufwändig gestaltete Getränkekarte macht Werbung für eine Happy Hour und kubanische Cocktails. In einer Ecke des Lokals steht eine Palme, daneben legt ein DJ schreckliche Soulmusik auf. Das Tresenpersonal langweilt sich, bis auf die beiden Männer ist keine Kundschaft da. Die Gaststätte wird bald Insolvenz anmelden. Der DJ ist so betrunken, dass er fast umfällt. „Hier ist es ja nicht so toll“, sagt der eine Mann. „Immer noch besser als auf der Kastanienallee“, erwidert sein Gegenüber. „Ja, stimmt schon.“ – „Ich gehe nur noch dahin, wo keiner mehr ist. So wie hier.“ – „Genau, Hauptsache, keine Schweine mit David-Beckham-Frisur und Farbverlauf-Brillen.“

Der Kellner eilt unterwürfig herbei. Die jungen Männer bestellen Caipirinha. „Gestern hab ich mich schon im Wedding betrunken. Mit Leuten, wegen denen man vor einem halben Jahr noch fast die Stadt verlassen hätte. So verwahrloste Bankangestellte, technische Zeichner und so. Inzwischen ist man ja regelrecht dankbar für solche Zombies.“ – „Hauptsache, weit weg von diesen homogenisierten Neue-Mitte-Menschen.“ „Ich kann Achtzigerjahre-Mode auch nicht ausstehen.“ – „Dieser Themenpark auf der Kastanienalle macht mich einfach fertig. Es ist die Hölle.“ – „Ja, die Hölle.“ – „Vielleicht sollten wir nach Staaken ziehen.“

Nach kurzem Schweigen lassen beide eine Endlosschleife folgen: über Vor- und Nachteile des Lebens am Stadtrand, Reihenhaussiedlungen, die Entsolidarisierung der Subjekte, Villen in Pankow, Nazis in Brandenburg, die Kosten der „Jahrhundertflut“, Niedriglohnjobs, Stoiber versus Schröder etc. KIRSTEN KÜPPERS