drahteselei von MICHAEL RUDOLF
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„[Obszönität] dich endlich [Kraftausdruck], du [Obszönität]!“ Mit dieser auffallend unfreundlichen Aufforderung leiteten kürzlich zwei Naziskins in ihrem Kleinkraftwagen mehrmals vergeblich einen Überholvorgang ein. „[Obszönität] uns [Obszönität], du [Kraftausdruck], [Obszönität]!“, schoben sie zur Bekräftigung und um zweihundert Dezibel lauter hinterher. Allein die zur adäquaten Verdeutlichung notwendigen Ausrufezeichen würden den Rahmen dieser Kolumne sprengen.

Nun lässt man es in unseren gänzlich fahrraduntauglichen, weil mit zwanzigprozentigen Abfallbergen und gärenden Sickergruben zugestellten Breiten an derartigen Despektierlichkeiten selten fehlen, aber die Beachtung der Verkehrsregeln impliziert nicht umsonst ein Mindestmaß an Verständnis und gegenseitiger Rücksichtnahme. Auch ich, obwohl waghalsiger Radfahrer, bin an der Einhaltung dieser essenziellen Umgangsformen interessiert – wenigstens, wenn es um meine eigenen Knochen geht. Die abgewichsten Krawallköppe waren es offenbar nicht.

Steil bergan führte die nämliche Fahrbahn, bei weitem zu schmal war sie beschaffen, und schraubenschlüsselwurfweit auseinander war sie mit frischen Baustellen und schicken Ampeln geschmückt. Das aber wäre noch lange kein Grund, dass mich die glatzköpfigen Arschgeigen mit Attributen versahen, die kaum geeignet schienen, die Auseinandersetzung auf einer sachlichen Ebene (kritischer Dialog) fortzusetzen. Das hätte ich diesen schwulen Mistschweinen auch beinahe gesagt, rotzte dann lieber meinen Kaugummi auf ihre Windschutzscheibe. Daraufhin begannen sie, mich an den hübschen neuen Bordstein zu drängen. Wenn ich es richtig verstanden habe, hätten sie es sogar billigend in Kauf genommen, dass ich voll auf die Fresse fliege. Dieser Handlung lagen eindeutig fremdenfeindliche, na, besser: rechtsextremistische Motive zugrunde, will ich meinen. Hackevoll mit Dosenbier, sagten sie bei dieser Gelegenheit ihren erstaunlich variablen Begriffsvorrat aus der vergleichenden Zoologie her. Ja, sie äußerten sogar Zweifel an meiner humanoiden Herkunft und brachten meine eh schon geschundene Person mit verschiedenen selbst erfundenen Geistes- und Geschlechtskrankheiten in Zusammenhang. Aha, jetzt auch noch Rassismus, denkt der aufmerksame Leser. Richtig. Trotzdem konnte ich die arschgesichtigen Kanaillen, die immer enervierter hupten und zu immer langsamerem Schrittempo verdammt waren, längere Zeit hinter mir lassen.

Die Wut machte die kahlen Radikalen jedoch unachtsam. Im Schimpfrausch schenkten sie der Fahrbahn nicht mehr die ihr gebührende Aufmerksamkeit und sausten – platsch! – mit ihrer verfickten Rostlaube schmählich ins nächste Bauloch. Da brüllten sie erst recht wie von Sinnen und beklagten ihr Los.

Meine nunmehr in Bezug auf Schadenfreude alles andere als abwartende Grundhaltung fand allerdings ihr jähes Grab im gleich daneben gelegenen Kabelschacht, in den ich mich während meines Lachanfalls kopfüber hineingeradelt hatte.