Bayerischer Patient

Teile der Belegschaft der Münchner Kinowelt Medien AG wehren sich massiv gegen einen Neuanfang – weil er in Leipzig stattfinden soll

aus München KLAUS RAAB

„Warum Frauen Männern die Ohren abschneiden.“ Steht als Untertitel auf einem Filmplakat im Besprechungszimmer. Wenn die Frau, ein Belegschaftsmitglied der Kinowelt Home Entertainment GmbH, ihren Kopf dreht, hat sie es im Blick. Vielleicht würde sie es insgeheim selber gerne tun. Ohren abschneiden, den Herrschaften.

Diese Frau, die namentlich nicht genannt werden möchte, hat Angst um ihren Job und eine Stinkwut. Auf die Brüder Michael und Rainer Kölmel, die – so sieht sie es – die Kinowelt Medien AG erst in die Insolvenz gewirtschaftet haben und jetzt einen subventionierten Neuanfang wagen wollen. Allerdings in Leipzig. „Wir sind eben nicht alle ungebunden und mobil“, sagt Betriebsrat Simon Rustemeyer. Für ihn ist klar, dass die Arbeitsplatzgarantie, die von den Brüdern Kölmel für ihr Fortführungsmodell der Kinowelt gegeben wurde, „ein bisschen link“ war. Mit zwei offenen Briefen, die unter anderem an Münchens Oberbürgermeister Christian Ude und die Bayerische Staatskanzlei adressiert waren, ging die Belegschaft der Kinowelt Home Entertainment GmbH, einer Tochter der Kinowelt Medien AG, in die Offensive: Die „abgegebene zweijährige Arbeitsplatzgarantie für alle Mitarbeiter erwies sich als Scheinversprechen“, heißt es. Sie gelte nämlich nicht für den Standort München – sondern für Leipzig.

Höllenfamilie

„Eine große Familie ist wie eine kleine Hölle.“ Steht als Untertitel auf einem Filmplakat im Besprechungszimmer. Großfamilie Kinowelt: für viele derzeit wie eine kleine Hölle. Und einige haben sich festgelegt, dass die Teufel Kölmel heißen. Aber nicht alle: „Es ist schwierig, eine einheitliche Position einzunehmen, weil es die unterschiedlichen GmbHs unterschiedlich trifft“, sagt ein anderer Betriebsrat – der bei der Lizenzverwertungs-GmbH angestellt ist. Und viele ihrer Mitarbeiter würden ihren Arbeitsplatz in München vermutlich auch bei einem Umzug der Kinowelt nach Leipzig wohl behalten. Dieser Betriebsrat meint, dass die Kölmels „nicht unbedingt die bösen Jungs“ seien. Sie seien immer faire Chefs gewesen.

Aber heute sind viele Mitarbeiter sauer. Kölmel, das klingt in ihren Ohren nach Klüngel. Die Verflechtungen aller Kölmel’schen Unternehmensbeteiligungen sind schwer zu durchschauen. In den offenen Briefen der Home Entertainment GmbH werden Spekulationen über „ungeklärte Geldflüsse der Kinowelt Medien AG“ geschürt: „Ist es denkbar, dass zu einem Zeitpunkt, zu dem die Kinowelt Rechnungen im Kerngeschäft (Filmverleih, Videovertrieb und Lizenzhandel) schon nicht mehr bezahlen konnte, Gelder in zweistelliger Millionenhöhe aus der Kinowelt Medien AG flossen, um Projekte der Kölmels in Leipzig zu finanzieren?“ Das sei natürlich Unsinn, kommentiert Rainer Kölmel am Telefon.

Doch es läuft eine Sonderprüfung, für deren Dauer die Brüder Hausverbot bei Kinowelt haben. „Wenn momentan versucht wird, noch etwas zu finden, ist das ganz normal in einem Insolvenzverfahren“, sagt Rainer Kölmel. Jener Betriebsrat der Lizenzverwertungs-GmbH sieht in den offenen Briefen ein „Revanchefoul“ für eine Kampagne, die einem alternativen Fortführungsmodell das Wasser abgrub: Am Tag vor der Entscheidung des Gläubigerausschusses, ob Kinowelt mit dem Kölmel-Modell oder dem Management-Buy-put-Modell (MBO) der ehemaligen Kinowelt-Mitgeschäftsführer Jerry Payne und Marcus Schöfer fortgeführt wird, erschien in Bild ein Artikel, der einen Investor des MBO-Modells mit einer „Porno-Clique“ in Verbindung brachte. „Reiner Rufmord“, so eine Kinowelt-Mitarbeiterin. Die Gläubigerbanken entschieden schließlich gegen das MBO-Modell. Mit der Kampagneninitiierung werden in Belegschaftskreisen die Brüder Kölmel in Verbindung gebracht. Rainer Kölmel bestreitet eine Verwicklung.

Vorerst wird weiter gearbeitet bei der Kinowelt Home Entertainment GmbH, deren Zukunft unklar ist: Wird sie verkauft? Aufgelöst? Zieht sie um? „Die Motivation ist tendenziell gut“, sagt Simon Rustemeyer. In der Hoffnung, dass die Tür für den Standort München noch nicht ganz zu sei. Doch die besten Jahre sind fürs Erste vorbei. „Alle Macht der Welt.“ Steht als Untertitel auf einem Filmplakat im Besprechungszimmer. So sollte es mal sein: Alle Macht der Kinowelt. Die Aktien stehen derzeit gar nicht gut dafür.