„Ein Frauenbudget wäre das Halleluja“

Verpasste Gelegenheit. Drei Frauenbeauftragte über die Mängel der GEW-Sommerschule und ihr Verhältnis zu Geld

taz: Meine Damen, bei der Sommerschule der GEW vergangene Woche sahen Sie sich mit Ihrem Anspruch auf Gleichstellung in eine undankbare Rolle gedrängt: Sie mussten wie nörgelnde Gouvernanten Ihr Thema anmahnen – weil es eine eigene Session zur Geschlechterdemokratie nicht gab. Warum war das so?

Es war anders geplant. Versprochen war ein Beitrag zu Frauen und Bildungsfinanzierung – aber der ist nicht gekommen.

Finden Ihre KollegInnen Gleichstellung nicht mehr cool?

Als das Thema neu war, konnten wir leicht plausibel machen, dass Gleichberechtigung ein wichtiges Element der Sommerschule ist. Wir wurden als Frauen wahrgenommen, die etwas zu sagen haben – nicht nur zu Quote oder Frauenförderung. Dieses Interesse hat nachgelassen.

Ich dachte, der Zug fährt in die andere Richtung? Immerhin hat die GEW das „Gender-Mainstreaming“ beschlossen, das heißt, sie wollen systematisch Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern herstellen.

Die Beschlusslage ist das eine. Das andere ist das, was sich in den Köpfen abspielt. Viele denken, wir hätten genug erreicht. Dabei sind die Hochschulen immer noch ein Symbol der Geschlechterungerechtigkeit: Es gibt in vielen Fächern mehr Studentinnen als Studenten – aber unter den hoch dotierten ProfessorInnenstellen nur ganz wenige Frauen.

Vielleicht hilft Gender-Mainstreaming gar nicht, sondern beruhigt nur das Gewissen. Die Leitung der Sommerschule erklärte, es gebe deshalb keine Sitzung zu Bildungsfinanzierung und Frauen, „weil das ja ohnehin immer Thema ist“.

Uns ist völlig schleierhaft, wie man bei der Frage nach Bildung als öffentliches Gut auch nur ein einziges Thema ohne den Geschlechterbezug bearbeiten kann. Frauen haben von der Bildungsexpansion seit Ende der 60er-Jahre ganz enorm profitiert – trotzdem hat sich 30 Jahre später bei der Besetzung guter und gut bezahlter Jobs, in den Führungspositionen und an den Schaltstellen wenig getan.

Die Sommerschule stellte die Frage, ob in der Bildung auch privates Geld und Marktmechanismen opportun sind. Was bringt es konkret, die Forderung nach Gleichstellung damit zu kombinieren?

Die Mittelvergabe an die Bildungseinrichtungen wird bald überall nach Leistung erfolgen. Wir messen Leistung und Qualität daran, ob die Demokratie der Geschlechter befördert wird.

Finden Sie, dass das Bafög frauen- und kinderfreundlich ist?

Ich finde schon die Fragestellung problematisch: Ob Bafög den Frauen Kindererziehung ermöglicht? Das konserviert doch die Auffassung, dass es die Frauen sind, die naturwüchsig für die Kinder zuständig sind. Aus unserer Perspektive geht es darum, auch diese Aufgabe umzuverteilen – die Männer sollen ihren Teil der Erziehungszeit übernehmen.

Darf ich trotzdem nachfragen: Ist Bafög frauenfreundlich?

Nein, denn die Studienförderung ist nach wie vor an die Regelstudienzeit gebunden – und nimmt damit keine Rücksicht auf Frauen, die wegen der Kindererziehung nur in Teilzeit studieren können. Auch die Rückzahlung ist nur scheinbar neutral. Sie übersieht, dass Frauen nach dem Studium weniger verdienen als Männer.

Die GEW streitet derzeit über Studienkonten und Langzeitgebühren. Welches Modell favorisieren Sie?

Studienkonten sind für Frauen deutlich attraktiver. Sie machen Teilzeitstudien möglich, sie nehmen den Druck von Studierenden mit Kind. Im Vergleich zu reinen Uni-Gebühren sind sie das kleinere Übel für Studierende.

In der Kommunalpolitik wird Gleichberechtigung neuerdings über das Budget verfolgt. Gibt es dazu auch Ansätze in der Bildungspolitik?

Die Forderung nach mehr Geld macht Gleichstellung stets konkreter. Die Männer hören dann genauer hin, als wenn frau Gleichberechtigung mit normativen oder demokratietheoretischen Argumenten einklagt. Wenn wir es hinkriegen würden, Frauen eigene Budgets in die Hände zu geben, dann wäre es das Halleluja.

In Kindergärten und Grundschulen dominieren die Frauen fast 100-prozentig das Lehrpersonal, unter ProfessorInnen ist ihr Anteil verschwindend gering. Kann Gender-Mainstreaming auf so unterschiedliche Situationen überhaupt eingehen?

Ja, weil es nun nicht mehr simpel um die Frauenquote geht. Beide Geschlechter sollen beim Mainstreaming die Geschlechterdemokratie fördern. Mit anderen Worten: Uns ist im Zweifel ein genderbewusster Mann lieber als eine genderunbewusste Frau.

INTERVIEW: CHRISTIAN FÜLLER

Hinweis: Heidi Degethoff de Campos (TU Berlin), Heike Kahlert (Uni Rostock), Ursula Kneer (Uni Flensburg): GEW-AG „Frauen in Hochschule u. Forschung“