Museum in Metamorphose

Nach dem Abschied des erfolgreichen Ausstellungsmachers Ken Gorbey übernimmt Cilly Kugelmann im Jüdischen Museum die Aufgabe der Projektchefin. Sie will einiges anders machen. Aber nicht alles

von ROLF LAUTENSCHLÄGER

Kenneth Gorbey, Projekt- und Ausstellungsdirektor des Jüdischen Museums, gab sich zum Abschied lässig und voller Understatement. Als „ungeheuer aufregend“ empfinde er im Rückblick die beiden Jahre in der Stadt. Er habe einen wunderbaren Job machen dürfen. Und dass der Libeskindbau mit annähernd 750.000 Besuchern längst zu einem der größten Publikumsmagneten in der Republik avanciert sei und zudem von 97 Prozent seiner Gäste „angenommen“ werde, mache ihn richtig happy. Da lasse es sich leicht „Fairwell“ sagen, zumal „Ken“ Gorbey dem Jüdischen Museum auch künftig als Berater zur Seite stehen will.

Mit dem Abschied des erfolgreichen Ausstellungsmachers aus Neuseeland genau ein Jahr nach der Eröffnung des Jüdischen Museums wird sich dort dennoch nicht nur ein personeller Wechsel vollziehen. Gorbey schaffte mit seiner Dauerausstellung „Zwei Jahrtausende Deutsch-Jüdische Geschichte“ im Libeskindbau das beinahe Unmögliche: Nämlich das Haus zu einem „nationalen“ Ereignis werden zu lassen. Ihm folgt nun als Projektdirektorin Cilly Kugelmann. Sie war früher im Frankfurter Jüdischen Museum tätig.

Mit dem Stabwechsel zu Cilly Kugelmann wird auch ein stärkerer Prozess konzeptioneller Veränderung für das Jüdische Museum beginnen, wie die Stellvertreterin von W. Michael Blumenthal am Dienstagabend demonstrierte. Zwar ist für das Haus und die Ausstellung der „gute Geist der Kritik“, wie Gorbey es sagte, nicht neu. Die Ausstellung selbst ist seit ihrer Eröffnung ohnehin erheblich verändert worden, indem die Fülle von 3.900 Exponaten auf 3.200 Objekte reduziert wurde. Dokumente wanderten zudem ins Depot, die überladene Schau hat man „gelichtet“. Sperrige Deko-Elemente wurden abgebaut, und die Besucher können sich mittels einer Wegmarkierung im Zickzack des Libeskindbaus besser orientieren.

Die „Perspektiven“ für das Jüdische Museum sieht Kugelmann freilich in viel tiefgreifenderen Veränderungen, wobei die Ausstellung inhaltlich überarbeitet und aktualisiert werden soll. So denkt die Direktorin an die „Auflösung des chronologischen Konzepts“ und dessen Wandel zu „Themenschwerpunkten“ in der jüdischen Geschichte sowie den deutsch-jüdischen Beziehungen.

Ganze Segmente sollen dabei umgestaltet werden – etwa die Bereiche zur Emanzipationsgeschichte im 18. und 19. Jahrhundert. Zudem setzen Kugelmann und der Kulturwissenschaftler Klaus Siebenhaar, der als Berater für das Museum arbeitet, auf Berührungspunkte jüdisch-muslimischer Geschichte und Kultur, um neben der Präsentation „deren Konflikte aufzuarbeiten“. Schließlich soll in Zukunft der Bereich der Nachkriegsgeschichte im Museum regelmäßig überarbeitet werden, um speziell auf aktuelle Debatten reagieren zu können.

Angelegt sind Kugelmanns Veränderungswünsche bereits heute schon, haben doch Gorbey und die Mitarbeiter des wissenschaftlichen Stabes sich selbst sowie die Dauerausstellung und Wechselschauen niemals als starr begriffen. So stellt ab dem 26. September 2002 das Museum Briefe aus unter dem Motto „Ich bin kein Antisemit, aber …“, die während der Antisemitismus-Debatte an den Publizisten Henryk M. Broder gingen.

Am Ende wird kein neues Jüdisches Museum herauskommen, dazu besteht auch für Kugelmann kein Anlass, wie sie sagte. Aber vielleicht entsteht in der Zukunft eine mehr brüchige, weniger chronologische Ausstellung, die, so Kugelmann, noch stärker „den Dialog mit der Architektur sucht“. Symbolisiert diese doch in ihrer Form die Brüche in der jüdischen Geschichte.