Tennisrentner unerwünscht

Thomas Haas verliert gegen Pete Sampras und ärgert sich über Boris Becker

NEW YORK taz ■ Es war nach Mitternacht, und was es zu sagen gab zu Spiel und Niederlage gegen Pete Sampras (5:7, 4:6, 7:6, 5:7), war schnell gesagt. Es sei knapp gewesen, meinte Thomas Haas, der Gegner habe mit viel Selbstvertrauen gespielt, er selbst habe nie den Rhythmus gefunden, er sei enttäuscht, und das alles sei sehr schade. Gegen einen überaus soliden und entschlossen wirkenden Sampras hatte er kaum eine Chance gehabt.

Man hätte vielleicht noch darüber reden können, ob ein bisschen mehr Leidenschaft und Mut nicht hilfreich gewesen wären, um Sampras aus der Reserve zu locken, aber das hätte auch nicht viel geholfen. Niederlage ist Niederlage bleibt Niederlage. Stattdessen lieber ein Blick nach vorn. Übernächste Woche steht in Karlsruhe für das deutsche Team das Davis-Cup-Relegationsspiel gegen Venezuela an, und da Haas im Frühjahr nach dem Streit mit dem Deutschen Tennis-Bund für die erste Runde verärgert abgesagt hatte, bot sich die Frage an, ob er denn diesmal spielen würde. „Ja“, sagte Haas, „würde ich gern.“

Aber so einfach wird es wohl wieder nicht werden. Denn aus Deutschland war die Kunde in New York gelandet, Teamchef Michael Stich plane, Boris Becker fürs Doppel in die Mannschaft zu berufen. „Ich finde es besser, wenn Boris als Zuschauer kommt“, sagte Haas. Er habe sich schon mit dem Kollegen Rainer Schüttler unterhalten, und der sehe das genauso. Heißt das nun in der Quintessenz, wenn Becker kommt, dann spielen Haas und Schüttler nicht? Seine Antwort: „Eventuell.“

Die Androhung einer Weigerung, die nicht schwer zu begreifen ist. Wie soll man sonst reagieren, wenn einem der Chef jemanden vor die Nase setzt, der mit ernsthaftem Spielbetrieb seit drei Jahren nichts mehr zu tun hat? Es ist ein fragwürdiges Unternehmen, und welche Absicht dahinter steckt, erschließt sich auf den ersten Blick nicht. Aber kurios ist es allemal: Als Haas bei den Australian Open im Halbfinale gegen Marat Safin verloren hatte, ging es am Ende ebenfalls um den Davis Cup. Der Kreis schließt sich, auch wenn vieles nicht zusammenpasst.

Die Geschichte wird in Deutschland weitergehen, und die US Open 2002 sind für Thomas Haas vorbei. Nach den Sorgen, die er in diesem Sommer hatte – zuerst die großen um die verunglückten Eltern, später die kleineren um die lädierte Schulter und um die Entzündung im Ellbogen –, war Runde vier beim letzten Grand-Slam-Turnier des Jahres ein akzeptables Resultat. Aber eben doch kein gutes. An Nummer drei war Haas gesetzt, und gemessen daran hat er nicht mehr als das Minimalziel erreicht. „Als Nummer drei hat man die Pflicht, dass man in die zweite Woche kommt, und da will ich auch hin“, hatte er nach seinem Sieg in der zweiten Runde gesagt, viel weiter ist er dann aber nicht mehr gekommen.

Das New Yorker Publikum wird es verkraften; nicht, weil die Leute nichts anfangen könnten mit dem Spieler Haas, den sie gern noch mal in einem Hemd ohne Ärmel gesehen hätten. Nein, die waren bloß seit jenem Moment, in dem Haas das Spiel gegen Sampras mit einem Doppelfehler beendete, in Gedanken schon ganz bei der nächsten Partie des Siegers im Viertelfinale gegen Andy Roddick.

Was Haas an Leidenschaft fehlt, hat der junge Roddick manchmal zu viel, an einem guten Tag aber ist er unwiderstehlich. Er freut sich auf das Spiel gegen Sampras, von dem er sagt, der sei das Idol seiner Kindheit gewesen. Sampras freut sich auch. Er hat frischen Mut getankt bei vier Siegen in einer Woche, und er ist bereit. Als er hörte, Roddick habe erklärt, dieses Spiel sei ein wahr gewordener Traum, konterte Sampras spontan: „Ich hoffe, es wird ein Albtraum für ihn.“ Dazu grinste er jugendlich frech. DORIS HENKEL