Migrantenflucht führt zu tödlichem Chaos

Malaysias schärfere Gesetze gegen illegale Gastarbeiter aus Indonesien und von den Philippinen bringen neues Elend

JAKARTA taz ■ Nunukan war von Anfang an überfordert: Der 40.000-Einwohner-Ort im indonesischen Teil Borneos wurde in den letzten Wochen von zehntausenden Landsleuten heimgesucht. Seitdem grassiert dort das Elend: Es gibt kaum Essen, Trinkwasser oder Medikamente, die Menschen leiden an Typhus und Durchfall. Bis jetzt sind laut Migrantenhilfsorganisation „Solidaritas Perempuan“ in Jakarta sogar etwa 70 Menschen gestorben. Sie mussten aus dem benachbarten malaysischen Sabah fliehen, nachdem Malaysias Regierung zum 1. August das Einwanderungsgesetz verschärft hatte. Hunderttausende illegale Arbeiter aus Indonesien und von den Philippinen kehrten fluchtartig in ihre Heimatländer zurück.

„Die Regierung tut einfach nichts oder hat fast nichts getan“, kritisiert Franz Magnis-Suseno, jesuitischer Philosophieprofessor, gegenüber der taz. Dabei sei das ganze Problem längst bekannt gewesen, „aber die indonesische Regierung hat einfach den Kopf in den Sand gesteckt“. Die gab inzwischen sogar zu, die ganze Angelegenheit nicht aufmerksam genug verfolgt zu haben. Medienwirksam hatte Vizepräsident Hamzah Haz deshalb seinen Besuch in Nunukan angekündigt. Von philippinischer Seite untersucht derzeit eine Delegation die verheerenden Lebensbedingungen in den Abschiebelagern in Sabah. Mindestens ein Dutzend philippinischer Kinder sei während der Ausweisung gestorben, hieß es. Noch immer befinden sich dort etwa 80.000 Filipinos, die bisher ohne Papiere in Malaysia lebten.

Dabei kam die Krise alles andere als überraschend. Nicht zum ersten Mal wollte Malaysias Regierung das Einwanderungsgesetz verschärfen. Bereits Anfang 1998, während der Asienkrise, hatte man laut verkündet, alle illegalen Einwanderer ausweisen zu wollen. Dieses Vorhaben wurde jetzt lediglich wieder aufgewärmt, als Malaysia wegen Weltwirtschaftsrezession und IT-Krise in eine wirtschaftlche Flaute geriet. Als Folge schnellten die Arbeitslosenzahlen in die Höhe. Wer jetzt ohne Papiere erwischt wird, muss mit Gefängnis, hohen Geldstrafen und den obligaten Stockhieben rechnen. Auf insgesamt 600.000 wurde die Zahl illegaler Arbeitsmigranten, die zum Großteil aus Indonesien kommen, geschätzt. Über die Hälfte hat Malaysia inzwischen fluchtartig verlassen.

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