Genpflanzen-Streit

Runder Tisch zu Genfood gescheitert. Jeder will andere Wahlfreiheit. Umdenken bei Gewerkschaft

BERLIN taz ■ Keine Einigung konnte der von Verbraucherschutzministerin Renate Künast im vergangenen Jahr initiierte runde Tisch zur grünen Gentechnologie erzielen. Auf der Abschlussveranstaltung am Dienstag in Berlin zeigte sich, dass weiterhin ein unüberbrückbarer Graben besteht zwischen Biotechfirmen, Saatgutindustrie und Lebensmittelhandel auf der einen sowie Umweltschutzverbänden, Verbraucherorganisationen und dem ökologischen Landbau auf der anderen Seite.

Enttäuscht von dem Forum äußerte sich der Vertreter des Bundesverbandes Deutscher Pflanzenzüchter (BDP), Gisbert Kley, weil „entgegen den getroffenen Vereinbarungen zu großen Teilen nicht das Wie, sondern – wie schon seit 15 Jahren unverändert – das Ob des Einsatzes der Gentechnologie fundamental in den Mittelpunkt gerückt wurde“. Vor allem die Pflanzenzüchter hatten sich erhofft, dass endlich – wie noch im vergangenem Jahr von Bundeskanzler Gerhard Schröder in Aussicht gestellt – ein begrenzter Anbau von genmanipuliertem Saatgut in Deutschland ermöglicht werde.

Künast hingegen begrüßte den vorgestellten Abschlussbericht: Erstmals seien trotz großer Differenzen Fragen der grünen Gentechnologie auf Bundesebene konstruktiv diskutiert worden. In einigen Punkten sei auch ein Konsens erzielt worden. So bestehe unter anderem Einigkeit darüber, dass gentechnisch veränderte Lebensmittel gekennzeichnet werden müssten. Auch seien alle der rund 30 beteiligten Interessengruppen der Meinung, dass die „Wahlfreiheit“ der Verbraucher sichergestellt werden müsse.

Ein nur vermeintlicher Konsens. Denn das Problem ist, dass Befürworter und Gegner der grünen Gentechnologie jeweils etwas anderes unter dem Begriff der Wahlfreiheit verstehen. Die Umweltorganisationen und ökologischen Anbauverbände sehen durch den vermehrten Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen die Wahlfreiheit der Verbraucher gefährdet, gentechnikfreie Ware zu kaufen. Sollte der zum Beispiel von den Pflanzenzüchtern geforderte Grenzwert von 1 Prozent gentechnischen Verunreinigungen des Saatguts europäischer Standard werden, so könne dies nicht mehr garantiert werden.

„Wahlfreiheit für Verbraucher und Wirtschaft“ heißt eine zentrale Forderung der Gentech-Befürworter: In einer gemeinsamen Stellungnahme treten Lebensmittelindustrie, Pflanzenzüchter, Bauernverband sowie Groß- und Einzelhandel für eine „Koexistenz“ von grüner Gentechnologie und gentechnikfreier Lebensmittelproduktion ein. Dazu seien praktikable Grenzwerte notwendig. Zu den Unterzeichnern gehört auch – und das ist das eigentlich Überraschende der Dialogrunde – die Gewerkschaft Nahrung Gaststätten und Genussmittel. Stand sie in der Vergangenheit noch auf Seiten der Kritiker der grünen Gentechnologie, so will sie ihr jetzt „eine Chance geben“.

WOLFGANG LÖHR