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: Der Kanzler schweigt zum Angriffskrieg

Bislang war die Sache für den Bundeskanzler einfach. Mit der Ablehnung eines Irakkrieges hatte Gerhard Schröder ein paar womöglich entscheidende Prozentpunkte für die Wahl am 22. September geholt, ohne viel zu riskieren. Zwar führte die Ablehnung eines Irakkrieges zu leichter Verstimmung auf der anderen Seite des Atlantiks, aber wirklich aufregen musste sich in Washington niemand. Denn das Pentagon plant den Einsatz deutscher Truppen nicht ein. Auch eine finanzielle Unterstützung wie im Golfkrieg 1991 erwarteten die USA diesmal nicht. Selbst auf die immer noch in Kuwait stationierten Fuchs-Spürpanzer könnte das US-Militär verzichten.

 An einem Punkt aber würden die Pentagon-Planer tatsächlich nervös: wenn ihnen die Nutzung von Stützpunkten in der Bundesrepublik und die Überflugrechte über deutschem Territorium verwehrt würden. Dazu hat der Kanzler bislang geschwiegen. Dabei wird diese Art der Unterstützung diesmal besonders wichtig sein, weil die USA möglichst unabhängig von den arabischen Nachbarn des Irak agieren wollen. Statt von Saudi-Arabien aus könnten die meisten Bomber problemlos auch von den US-Basen in Rheinland-Pfalz aus starten. Der Nachschub für den Aufmarsch läuft schon jetzt auch über deutsche Flughäfen. Für die Bundesregierung wird es deshalb schwierig werden, ihre halbherzige Haltung gegenüber den US-Plänen als konsequent darzustellen.

 Entweder folgt Schröder dem Bundestagspräsidenten Wolfgang Thierse und bezeichnet den Krieg gegen den Irak als das, was er ist: als Angriffskrieg. Dann wäre jede Unterstützung für die USA ein Verstoß gegen die Verfassung, denn das Grundgesetz verbietet eindeutig die Vorbereitung eines Angriffskrieges und die Teilnahme daran. Schließt sich die Bundesregierung aber der Auffassung von Thierse an, dann muss sie jenseits juristischer Debatten gegenüber der US-Regierung zumindest deutlich machen, dass sie eine Nutzung deutscher Basen für den Angriffskrieg gegen Irak als größten denkbaren Affront betrachtet.

 Oder aber Schröder lenkt doch noch auf die Linie Tony Blairs ein, der wie Bush einen Präventivkrieg gegen Irak wegen dessen Entwicklung von Atom-, Chemie- und Biowaffen für geboten hält. Denkbar wäre dies, denn bislang lehnt der Kanzler nach eigenen Angaben einen Irakkrieg nur ab, weil er dadurch die vermeintliche Antiterrorkoalition gefährdet sieht und Konzepte für den Nahen Osten nach dem Krieg vermisst. Schröder hat also genug Spielraum, um seine Haltung zu ändern. Den Angriffskrieg – in Washington auch Präventivkrieg genannt – würde er damit legitimieren. ERIC CHAUVISTRÉ