Schröder ringt um Lufthoheit

Wende in der Irakdebatte: Der Bundeskanzler will nicht ausschließen, dass die USA den deutschen Luftraum und ihre hiesigen Stützpunkte für einen Angriff auf den Irak nutzen dürfen. Auskunftssperre im Außen- und Verteidigungsministerium

BERLIN taz ■ Bundeskanzler Gerhard Schröder hat gestern erstmals erkennen lassen, dass das Nein seiner Regierung zu einem US-Angriff auf den Irak Grenzen hat. In der militärisch bedeutsamen Frage, ob die USA ihre Luftwaffenstützpunkte in Deutschland für den Angriff nutzen dürfen, lehnte Gerhard Schröder gestern jede Festlegung ab. Damit behält sich die Bundesregierung vor, den USA einen Überflug deutschen Territoriums zu gestatten. Ein deutsches Nein würde die ohnehin angespannten Beziehungen zu den USA weiter belasten. Ein Ja käme einer massiven, wenn auch überwiegend passiven Unterstützung der amerikanischen Kriegsvorbereitungen gleich.

Anders als die weitgehend symbolische Frage einer Bundeswehrbeteiligung berühren die Überflugrechte den Kern jeder Irakoperation. Das Pentagon hatte deutlich gemacht, dass es deutsche Soldaten bei einem Kampfeinsatz für entbehrlich hält. Die Nutzung der Flugbasen auf deutschem Boden gilt dagegen als wesentlich für die Planung eines Militärschlags. „Vor allem die Stützpunkte Ramstein und Frankfurt sind Drehkreuze für die Amerikaner“, sagte Otfried Nassauer vom Berliner Informationszentrum für Transatlantische Sicherheit der taz.

Nachdem der US-Botschafter in Deutschland, Dan Coats, gestern erneut seine Besorgnis über das Verhältnis zwischen Berlin und Washington äußerte, möchte der rot-grüne Regierungsapparat jeden weiteren Streit vermeiden. So hatte der SPD-Bundestagsabgeordnete Gert Weisskirchen erklärt, die USA hätten ein Recht auf die Nutzung der Basen, das ihnen nicht verwehrt werden könne. Ein Experte der renommierten Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP) in Berlin widerspricht. „Die Bundesregierung hat das Recht, den USA die Nutzung der Basen und des Luftraums zu verbieten“, sagte Klaus Schwarz der taz, „es ist die übliche Praxis: man muss gefragt werden, man muss zustimmen.“

Die Regierung selbst zeigte sich gestern an einer Klärung wenig interessiert. Obwohl Schröders Pressekonferenz nach der Kabinettssitzung ausdrücklich außenpolitischen Fragen gewidmet war, wehrte der Kanzler mehrere Nachfragen zu den US-Stützpunkten ab. Gleichzeitig wurde im Bundesministerium der Verteidigung und im Auswärtigen Amt eine Auskunftssperre verhängt. In den Pressestäben beider Ministerien wurden die Mitarbeiter angewiesen, selbst Auskünfte zu den Verträgen zu verweigern, die die Nutzung der Basen regeln.

Grund für die Zurückhaltung der Behörden könnten bereits laufende Operationen der US Air Force sein. „Aus Ramstein und Frankfurt habe ich seit Wochen Meldungen, dass es ein verstärktes militärisches Transportaufkommen gibt“, so Nassauer. „Als logistische Drehscheibe spielt die Bundesrepublik eine erhebliche Rolle“, glaubt auch SWP-Mitarbeiter Schwarz. Nassauer zufolge starten die US-Streitkräfte mit Transportmaschinen der Typen C-17 und Galaxy. Mögliche Ziele wären die Türkei und der Nordirak, der als Ausgangspunkt für einen Angriff auf den Irak dienen solle. PATRIK SCHWARZ

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