Big Böse is watching you

In einem zweijährigen Modellversuch will die Polizei den Bremer Bahnhofsvorplatz rund um die Uhr mit einer Videokamera überwachen. Die Grünen fordern dagegen, dass mehr Beamte an den Kriminalitätsschwerpunkten der Stadt präsent sind

„Eine Kamera eilt dem Opfer nicht zur Hilfe, und sie stoppt auch den Täter nicht.“

Am 1.Oktober haben sie auch in Bremen Premiere: die Überwachungskameras im öffentlichen Raum. Nach dem Vorbild CDU-geführter Bundesländer wie Sachsen oder Baden-Württemberg startet die Bremer Polizei dann ein Modellprojekt zur Videoüberwachung des Bahnhofsvorplatzes.

Innensenator Kuno Böse (CDU) erläuterte das Vorhaben gestern gemeinsam mit Polizeipräsident Eckard Mordhorst: Eine Kamera soll, zunächst auf zwei Jahre befristet, an einem Mast auf dem Bahnhofsplatz befestigt werden. Sie lässt sich um 360 Grad drehen und hat ein Zoom-Objektiv. Außerdem gibt es ein Hinweisschild. Text: „Dieser Platz wird aus Gründen der Gefahrenabwehr durch Video geschützt.“ 2004 soll die Bürgerschaft dann entscheiden, ob die Videoüberwachung weiter geführt oder abgebrochen wird.

24 Stunden am Tag wird die Kamera gestochen scharfe Bilder live ins Lagezentrum der Bremer Polizei senden, von wo aus das Gerät ferngesteuert wird. Die Kameraausrüstung koste etwa 60.000 Euro, so Polizeipräsident Mordhorst, die laufenden Kosten betrügen etwa 3.000 bis 4.000 Euro pro Monat. Mordhorst legt vor allem auf die „präventive Wirkung“ der Kamera Wert, die allerdings nicht die polizeiliche Präsenz am Bahnhof ersetzen könne.

Die Bürgerschaft hatte im Oktober 2001 das Bremische Polizeigesetz verändert. Demnach dürfen nun „öffentlich zugängliche Orte, an denen vermehrt Straftaten begangen werden, offen und erkennbar“ per Videokamera überwacht werden. Alle Bilder, die nicht zur Verfolgung von Straftaten benutzt werden, müssen nach 48 Stunden gelöscht werden. Der Bahnhofsvorplatz sei für das Projekt aufgrund einer „Kriminalitätsanalyse“ ausgewählt worden, sagte Böse. Im Jahr 2001 seien dort 786 Straftaten polizeilich registriert worden, darunter vor allem Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz , Fahrrad- und Taschendiebstähle sowie Körperverletzungen. Mit der Videoüberwachung unmittelbar vor dem Bahnhof wolle man auch die „Attraktivität des Aushängeschildes unserer Stadt“ stärken.

Böse, der noch vor zwei Tagen von der Bundesregierung neue umfangreiche Pakete zum Schutz der Inneren Sicherheit gefordert hatte und im Ausländerzentralregister „Daten zur Religionsangehörigkeit und zur ethnischen Zugehörigkeit“ speichern will, gab sich gestern vermeintlich zahm: Der Senat wolle jetzt in Ruhe die Wirkung der ersten Videomaßnahme abwarten und „nicht die ganze Stadt mit solchen Kameras überziehen, wie es früher in Ost-Berlin war“.

Dass die Kamera am Bahnhofsvorplatz lediglich der Einstieg in eine flächendeckende Überwachung der Stadt sei, vermutet indes der innenpolitische Sprecher der Grünen in der Bürgerschaft, Matthias Güldner. Außerdem sei es wohl der Hauptzweck des Pilotprojekts, das subjektive Sicherheitsgefühl der Bürger zu erhöhen. „Leute, hier in Bremen passiert Euch nichts!“, solle die Kamera den Bahnhofspassanten versprechen. Allerdings sei dies „mehr ein Wellness-Faktor als ein Security-Faktor“: Die objektive Sicherheit werde nicht erhöht, und Kriminalität verlagere sich eben an andere Plätze. „Eine Kamera eilt dem Opfer nicht zur Hilfe und stoppt auch nicht den Täter“, meinte Güldner. Der Grüne plädierte dafür, lieber in Ausbildung und Ausstattung der Polizeibeamten als in Überwachungssysteme zu investieren.

Fragt man auf dem Bahnhofsvorplatz den nächstbesten Polizeibeamten, so weiß der „von dem Plan noch gar nichts“. Die Tataufklärung werde durch die Kamera sicher erleichtert, meinte er: „Doch dass kriminelle Handlungen verhindert werden, halte ich für sehr unwahrscheinlich.“ Markus Jox