Aus der Asche auferstanden

Eukalyptusbäume haben im Laufe der Evolution gelernt, mit Feuer zu leben. Ein besonderer Fortpflanzungsmechanismus erlaubt es ihnen, nach einem Brand wieder schnell zu ergrünen

aus Sydney MICHAEL LENZ

Es grünt und blüht in den Wäldern rings um Sydney. Vom „grünen Wunder in den Blauen Bergen“ schwärmen gar australische Medien. Gut acht Monate nach Ende der verheerenden Buschfeuer rings um Sydney präsentieren sich Eukalyptuswälder in den Blue Mountains in einer Üppigkeit, als habe es die „schwarze Weihnacht“ nie gegeben.

Für Geoff Burrows jedoch hat die blau-grüne Pracht nichts mit einem Wunder zu tun. Sondern ausschließlich mit der natürlichen Fähigkeit der Eukalypten, Feuer zu überleben und zu ihrer Fortpflanzung zu nutzen. In den Jahrmillionen der Evolution habe sich die australische Pflanzenwelt den regelmäßig aufkommenden Buschfeuern angepasst, weiß der an der Charles Stuart Universität in Wagga Wagga lehrende Wissenschaftler. Burrows hat jetzt das Geheimnis entziffert, wie genau die Eukalypten das Wunder vollbringen.

„Bisher wurde einfach angenommen, sie würden, wie alle anderen Bäume, Keimlinge in der Rinde bilden“, so Burrows. „Bei Eukalypten stecken sie aber eben nicht in der Rinde, sondern entwickeln sich tief im hölzernen Herz“, erklärt der Dozent am Fachbereich für Landwirtschaft die Überlebenskunst der Spezies aus der Familie der Gummibäume. In normalen Zeiten richteten die Baumhormone ihre ganze Aktivität in das Wachstum der blau-grünen Blätter. Komme jedoch die Photosynthese zum Erliegen, wie es durch das Verbrennen der Blätter bei Buschfeuern der Fall ist, konzentrierten sie sich mit voller Kraft auf die Produktion von Sprösslingen.

Von der äußeren Rinde führen Stränge in den Baum, die zum Leben erwachen, wenn bestimmte Hormone durch die Hitze aktiviert werden. Und so junge Knospen produzieren. „Ein großer Eukalyptusbaum kann bis zu zwei Zentimeter seiner Rinde verlieren, ohne dass seine Fortpflanzungsstrukturen zerstört werden“, betont Burrows. Anders als alle anderen Bäume seien die Eukalyptussprösslinge beim Keimen auch nicht auf Boden angewiesen, sondern könnten noch in zehn Meter Höhe aus dem Stamm sprießen. Damit auch möglichst viele Artgenossen an der heißen Fortpflanzung teilhaben können, heizten die Bäume selbst durch ihre ätherischen Öle das Feuer an und förderten so deren Ausbreitungsfähigkeit, erläutert der Experte.

Feuer sind schon immer ein fester Bestandteil der Natur von Down Under. „Feuer hat das Leben von allem und jedem, was freiwillig oder gezwungenermaßen in Australien lebt, entscheidend bestimmt“, weiß David Jones, freiwilliger Feuerwehrmann und Leiter des Feuermuseums in Penrith. Anders aber als Pflanzen, Tiere und die australischen Ureinwohner hätten die europäischen Siedler aber nie den Umgang mit den Feuern gelernt, klagt Jones. „Der Umgang der Weißen mit dem australischen Feuer ist ein 200 Jahre lange Geschichte der Arroganz. Feuer wird ausschließlich als Bedrohung erlebt.“

In diese „Geschichte der Arroganz“ reiht sich in den Augen von Burrows auch das lange Desinteresse seiner Wissenschaftskollegen an der Fortpflanzungstechnik der Eukalypten ein. Erste Erkenntnisse über die einzigartige Fortpflanzungstechnik des australischen Nationalbaums durch den australischen Forscher Max Jacobs aus den Fünfzigerjahren seien von Kollegen aus den USA als „Schlampigkeit“ zurückgewiesen worden. Inzwischen arbeiten auch Wissenschaftler der Commonwealth Scientific and Industrial Research Organisation (CSIRO) an der Erforschung der Eukalypten. Mit der im Oktober vergangenen Jahres gestarteten, umgerechnet gut 35 Millionen Euro teuren Eukalyptus Genom Initiative (EGI) soll in den kommenden drei bis vier Jahren eine vollständige Genkarte der Eukalypten angelegt werden.

Forstwirtschaft setzt auf Eukalyptusplantagen

Der Eukalyptus, aus dessen Fasern hochwertige Papierprodukte hergestellt werden, ist das am schnellsten wachsende aller Harthölzer. Die australische Holzindustrie will durch einen Ausbau der Eukalyptusplantagen ihre internationale Wettbewerbsfähigkeit verbessern. Mit einer Fläche von rund 390.000 Hektar Eukalyptusplantagen bildet Australien als Heimatland des Baumes das Schlusslicht. Auf gut zehn Millionen Hektar pflanzen inzwischen Länder wie Südafrika, Brasilien, Chile oder Portugal das Urgewächs. Wachsender Protest von Umweltorganisationen in diesen Ländern gegen die Ausbreitung der „exotischen Bäume“ – unter anderem weil sie zur Austrocknung der Böden beitragen – werde der heimischen Eukalyptusindustrie zusätzlichen Aufschwung verleihen, hofft der australische Verband der Forstwirtschaft.

Auch für moderne Kommunikationstechnik stellen die zähen Eukalypten ein Problem dar. Benutzer mobiler Telefone ärgern sich selbst in flachen Gebieten über Leitungsunterbrechungen oder erst gar nicht zustande kommende Verbindungen. Durch Form, Größe und Feuchtigkeit ihrer Blätter seien die Eukalypten effizienter als andere Bäume in der Lage, einen beträchtlichen Teil der Handyfrequenzen zu absorbieren, will die halbstaatliche australische Telefongesellschaft Telstra herausgefunden haben. Ein Problem, das auch durch die voranschreitende Installation von Telefonverbindungen via Satellit für das abgelegene ländliche Australien nicht behoben werden könne, wie Telstra zerknirscht seinen Kunden im australischen Busch mitteilte.

Alan Young, Chef der CSIRO-Abteilung Mobile Kommunikationssysteme, findet es jedoch „unfair“ von Telstra, die Eukalyptusbäume für die schlechten Telefonverbindungen auf dem Lande verantwortlich zu machen. Zwar hätten Messungen eine „erhebliche Abschwächung der Telefonfrequenzen durch Eukalypten“ ergeben, so Young. Aber einen wissenschaftlichen Nachweis, ob diese stärker sei als bei anderen Bäumen, gebe es nicht.

Burrows unterdessen pokelt weiter unverdrossen in Eukalyptusrinden. In seiner fünfjährigen Forschungsarbeit hat es Burrows geschafft, gerade mal 20 verschiedene Eukalyptusarten zu untersuchen. „Ich bin aber überzeugt“, so Burrows zuversichtlich, „dass 90 Prozent der 700 Arten die gleiche Fähigkeit zur Regeneration haben.“