Hoffentlich UN-versichert

Der US-Präsident steuert weiter auf einen Feldzug gegen den Irak zu. Den will er durch Werben im US-Kongress und im UN-Sicherheitsrat absichern

Die Warnungen an Bush häufen sich: Eine unilaterale Invasion des Iraks ruiniert seine Antiterrorfront

aus Washington MICHAEL STRECK

Die heftige Kritik aus dem In- und Ausland an einem militärischen Alleingang der USA gegen den Irak hat offenbar ihre Wirkung nicht verfehlt. US-Präsident George W. Bush – frisch aus dem Urlaub von seiner texanischen Ranch ins Weiße Haus zurückgekehrt – gibt sich plötzlich kooperativ und gesprächsbereit. Er kündigte für die kommenden Tage zahlreiche Gespräche mit Verbündeten, den Vereinten Nationen und dem Kongress an, in denen er seine Pläne gegenüber dem irakischen Diktator Saddam Hussein darlegen will.

Bush versicherte, er werde einen „offenen Dialog“ führen – neue ungewohnte Töne der US-Regierung, die sich in den vergangenen Wochen durch eine aggressive Wortwahl in der Welt unbeliebt gemacht hatte. Es spricht zwar nach wie vor vieles dafür, dass Washington auf einen Feldzug gegen den Irak zusteuert, doch Bush will das Bild des Sheriffs loswerden.

Zunächst wird Bush am Wochenende mit dem britischen Premierminister Tony Blair in Camp David über die Irakfrage sprechen. Anschließend sollen weitere Mitglieder des UN-Sicherheitsrates in Moskau, Paris und Peking am Telefon konsultiert werden. Auch die eigenen Parlamentarier will der Präsident stärker umwerben als bisher. Zwei Monate vor den Kongresswahlen hat sich offenbar im Weißen Haus die Erkenntnis durchgesetzt, dass angesichts der vielen skeptischen Stimmen zu seiner Irak-Strategie das Parlament eingebunden werden muss, um die Kritik einzudämmen und politischen Flurschaden zu vermeiden. Bushs Ansehen in der Wählergunst war in den letzten Wochen deutlich gesunken.

Bush kündigte nach einem ersten Treffen mit Vertretern aus Senat und Abgeordnetenhaus am Mittwoch fast wie selbstverständlich an, dass er eine formale Zustimmung des Parlaments für seine Irakpolitik suchen werde. Dieser Rückhalt soll in Form einer vom Kongress verabschiedeten Resolution eingeholt werden. Noch vor wenigen Tagen versuchten Bushs Rechtsberater mittels feinsinniger juristischer Argumentationskunst nachzuweisen, dass der Präsident eine solche Zustimmung der Abgeordneten überhaupt nicht bräuchte, denn die alte Resolution aus dem ersten Golfkrieg von 1991 hätte nach wie vor Gültigkeit.

Mit der Kehrtwendung will der Präsident auch den Eindruck vermeiden, dass in seiner Regierung keine einheitliche Auffassung in der Irakpolitik herrscht, auch wenn Außenminister Colin Powell kürzlich noch bestätigte, dass es „Differenzen“ im Bush-Team gebe. Doch es sind nicht die Spannungen zwischen Außenamt und den Hardlinern im Pentagon, die dem Weißen Haus gefährlich wurden. Bushs Position wurde vielmehr dadurch geschadet, dass aus den eigenen Reihen der Republikaner, vor allem von erfahrenen Politikern wie dem früheren Außenminister James Baker und Ex-Sicherheitsberater Brent Scowcroft – beide dienten unter seinem Vater und schmiedeten damals jene breite Kriegskoalition gegen Bagdad –, heftige Kritik an den Alleingangsplänen geäußert und für eine Resolution des UN-Sicherheitsrates plädiert wurde. Beide warnten, dass eine unilaterale Invasion im Irak die Antiterrorfront ruinieren werde.

Damit die innenpolitische Debatte, die durch das lange Schweigen des Präsidenten genährt wurde, nicht aus dem Ruder läuft, muss Bush möglichst rasch seine Irak-Strategie detailliert offen legen. Vermutlich wird er dazu nächste Woche eine Rede an die Nation zum ersten Jahrestag der Terroranschläge und einen Auftritt vor der UN-Vollversammlung am Donnerstag in New York nutzen. Jüngste Spekulationen, er werde bei der Gelegenheit den Krieg gegen den Irak ausrufen, dürften sich nicht bewahrheiten.

Es bleibt offizielle Politik der USA, vor einem Krieg zunächst die Wiedereinreise der Waffenkontrolleure anzustreben, obwohl Vizepräsident Dick Cheney zuletzt neue UN-Inspektionen ablehnte. Nach Ansicht von Experten werde Bush demonstrieren, dass er eine friedliche Lösung anstrebe, auch wenn er sich wahrscheinlich längst für einen Krieg entschieden habe. Sollte Hussein die Einreise der Inspekteure verweigern oder nach ihrer Einreise deren Arbeit behindern, hätte Washington demnach eine Rechtfertigung für den Krieg.

Laut einem Bericht der Los Angeles Times wird in der US-Regierung ein Vorschlag diskutiert, Bagdad weitaus strengere UN-Waffenkontrollen aufzuerlegen als in den früheren Jahren. Die Inspekteure sollten von Soldaten unterstützt werden, um ihnen notfalls mit Gewalt den Zugang zu verdächtigen Orten zu verschaffen. Solche rigorosen Kontrollen könnten auch einen Krieg legitimieren, „wenn die Iraker sich weigern, sich ihnen zu unterwerfen – was sie tun werden“, zitiert das Blatt einen Regierungsmitarbeiter.