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: Die Basketball-Welt ist komplett aus den Fugen

Germany drin, USA draußen

„Acta est fabula“, lauteten die letzten Worte des römischen Kaisers Augustus, „das Spiel ist vorbei.“ Ein Satz, der auch dem braven Trainer des Basketballteams der USA, George Karl, nach dem WM-Aus gegen Jugoslawien im Kopf herumschwirren dürfte, selbst wenn seine Mannschaft noch die hohe Ehre hat, um die Plätze fünf bis acht zu spielen. Auftritte, die den unsanft vom Sockel gestürzten NBA-Profis um Reggie Miller und Michael Finley wie ein ausgedehntes Spießrutenlaufen mit Ball vorkommen werden.

Die Basketballwelt spielt komplett verrückt, so als hätte sie sich die Fußball-WM im Frühsommer zum Vorbild genommen. Bisherige Prügelknaben wie Deutschland und Neuseeland stehen in Indianapolis im Halbfinale, die USA, der heißeste aller Topfavoriten, hingegen nicht. Gescheitert mit 78:81 an den Jugoslawen, über die man vor einigen Tagen in den US-Gazetten noch munter gespottet hatte, als der selbst ernannte Herausforderer sich mühsam durch die Präliminarien des Turniers quälte.

Aber auch in Spanien, dessen Team im Viertelfinale gegen die Deutschen verlor, rätselt man, was zum Kuckuck hier eigentlich läuft. Ganz zu schweigen von einstigen Hochburgen des Basketballs wie Litauen, Kroatien, Italien, Frankreich, Griechenland, die gar nicht vertreten waren bei dieser WM. Die Karten im Basketball sind vollkommen neu gemischt, und plötzlich scheint es nicht mal mehr unwahrscheinlich, dass Neuseeland, im Halbfinale Gegner der Jugoslawen, den Weltmeistertitel gewinnt.

Oder am Ende sogar Deutschland? Die Mannschaft um Dirk Nowitzki bekommt heute abend (20 Uhr) ihre zweite Chance gegen das bislang überragende Team des Turniers, die Argentinier, welche nicht nur die USA bezwangen, sondern in der Zwischenrunde auch die Deutschen klar beherrschten. Die Art und Weise des 70:62-Sieges gegen Spanien in einem spielerisch unansehnlichen, aber hochspannenden Match zeigte jedoch, dass die Mannschaft von Henrik Dettmann keinen Gegner bei diesem Turnier wirklich fürchten muss. Obwohl NBA-Star Dirk Nowitzki, der das Team bei der EM im vergangenen Jahr fast allein zum vierten Platz trug, lange Zeit kaum ins Spiel kam, führten die Deutschen zur Halbzeit deutlich, steckten dann einen Totaleinbruch im dritten Viertel weg und setzten sich im Schlussabschnitt souverän durch – dann auch mit einem erwachten Nowitzki, der in dieser Phase 12 seiner 20 Punkte erzielte. Nach wie vor hat der 24-Jährige große Schwierigkeiten mit seinem Wurf, der längst nicht so präzise kommt wie noch bei der EM oder den Dallas Mavericks letzte Saison. Nowitzkis Repertoire ist jedoch so groß, dass er der Mannschaft auf vielerlei Weise helfen kann, zum Beispiel von der Freiwurflinie oder mit Rebounds. Wichtiger ist jedoch, dass das homogen besetzte Team funktioniert und immer wieder andere Leute in die Bresche springen, wenn es bei Nowitzki hakt. Und die große Macht des Teambasketballs haben nicht zuletzt die ohne Superstars auftretenden Argentinier bewiesen.

Womit wir wieder bei den USA wären, die ihr Unglück noch gar nicht recht fassen können. „Das ist alles so brandneu“, stammelte ein konsternierter Jim Tooley, Exekutivdirektor des Basketballverbandes der USA, „wir müssen abwägen, was für 2004 zu tun ist.“ Eine Blamage bei Olympia in Athen wöge weitaus schwerer als das Debakel bei einer WM, die im Gastgeberland keiner ernst nimmt. Das Rezept scheint klar. Vom Indianapolis-Team wird man außer Paul Pierce wohl keinen wiedersehen, dafür dann Shaq, Kobe Bryant, Webber, Iverson, Carter, McGrady, Kidd und Konsorten. Eine Garantie ist das aber auch nicht mehr. George Karl hatte schon nach dem verlorenen Argentinien-Spiel gesagt: „Eines Tages wird die Welt auch unsere Besten schlagen.“ Augustus hätte es nicht treffender ausdrücken können.

MATTI LIESKE