IRAK: SCHRÖDER MACHT KEINEN WAHLKAMPF, SONDERN AUSSENPOLITIK
: Machtproben

Schröders Wahlkampf ist alles andere als langweilig. Unter dem Slogan „deutscher Weg“ wettert der Kanzler gegen Unternehmer und USA, sein Generalsekretär Müntefering versucht derweil, Bild vor Gericht zu zitieren. Der SPD-Wahlkampf 2002 orientiert sich offenkundig an den Lieblingsfeinden der Jusos aus den 70ern: Kapital, Amerika & Springer. Das Motto: Wenn Stoiber keinen Lagerwahlkampf will, machen wir ihn halt alleine. Das wirkt ein bisschen trotzig, freut aber die Stammklientel.

Mit Springer und den Unternehmern wird sich Schröder schon wieder vertragen. Der Zwist mit den USA jedoch ist ernst – so ernst wie deren Wille, den Irak anzugreifen. Der anfängliche Verdacht, Schröder klopfe mal wieder flott und folgenlos Wahlkampfsprüche, erscheint inzwischen überholt. Der US-Botschafter kritisiert den Kanzler offen, der greift in der New York Times in scharfen Worten Bushs Kriegskurs an. Das rhetorische Niveau dieses Streits ist derart heftig, dass er genau dies nicht mehr ist: Rhetorik. Es geht um mehr.

Inhaltlich hat Schröder Recht. Es gibt keinen Beweis, dass Saddam Hussein eine akute Gefahr ist. Ein neuer Irakkrieg würde das ramponierte Völkerrecht noch mehr demolieren und zudem unabsehbare Wirkungen in der Region haben. Aber Recht zu haben, hat in der Außenpolitik noch nie viel genutzt. Deshalb muss die Schröder-Regierung nun zeigen, dass sie mehr als wortmächtig ist. Nicht Donnerworte via Washington, leise Gespräche mit Paris, Rom und Madrid sind gefragt. Auch dort blicken viele skeptisch einem Krieg entgegen – trotz Berlusconis Pro-US-Rhetorik. Wenn dieses Bündnis misslingt, droht in der Tat die Isolation. Schröder hat sich klipp und klar festgelegt: Keine deutsche Beteiligung, auch nicht mit UN-Mandat. Dafür braucht er Verbündete.

Der Zwist dreht sich nicht nur um den Irak. Es geht auch um eine Machtprobe zwischen den USA und Teilen der EU. Ist Europa ein Anhängsel Amerikas – oder dessen strategischer Widerpart? Letzteres ist mehr als wünschenswert. Doch um eine eigenständige, belastbare EU-Position zu entwickeln, braucht man Weitblick, Ausdauer – und die Fähigkeit, auch mal verlieren zu können. Weiß Schröder das? STEFAN REINECKE