Große Pisa-Wende der Schulpolitk

Bildungssenator Willi Lemke und CDU-Landesvorsitzender Bernd Neumann verabredeten eine Wende der Schulpolitik: Die Orientierungsstufe wird abgeschafft, das zentrale Abitur eingeführt – an Gymnasien nach 12, an Gesamtschulen nach 13 Jahren

„Notwendige Schritte“ seien das gewesen, bekannte Bremens Bildungssenator Willi Lemke (SPD) am Sonntagnachmittag, als er die Ergebnisse des Koalitionsausschusses bekannt gab. Der CDU-Landesvorsitzende Bernd Neumann bedankte sich für die vertrauensvolle Zusammenarbeit mit Lemke. Da Bürgermeister Henning Scherf für die SPD die politische Verantwortung für die miserablen Pisa-Ergebnisse übernommen habe, hätte man über die Vergangenheit nicht mehr reden müssen.

In der Tat ist es nicht weniger als der Abschied von 30 Jahren sozialdemokratischer Bildungspolitik, die gestern verkündet wurde. Kernpunkt: Die „Orientierungsstufe“, in der die SchülerInnen der 5. und 6. Klasse in Bremen ohne Leistungsdifferenzierung unterrichtet werden sollten, „hat den unterschiedlichen Begabungen höchst unzureichend Rechnung getragen und wird daher abgeschafft“.

Zweiter Punkt: Wo an Schulzentren der Sekundarstufe I die gymnasialen Abteilungen nur „einzügig“ sind, werden sie abgeschafft – aus Kostengründen und „auch aus pädagogischen Gründen“, ergänzte SPD-Landesvorsitzender Detlev Albers. Das bedeutet im Klartext: Viele der Schulzentren werden zu Zentren für Haupt- und Realschüler werden. Die Gymnasien sollen dagegen „in der Regel durchgehend“ nach 12 Jahren zum Abitur führen. Während die Gesamtschulen nach dem alten Konzept nur bis zur Klasse 10 führten, sollen in Zukunft drei von ihnen nach 13 Schuljahren zum Abitur führen – wenn der Bedarf entsprechend groß ist (mindestens 100 SchülerInnen).

Für das Abitur sollen dann aber die Aufgaben zentral gestellt werden – dies ist eine Konsequenz aus den erschreckend großen Leistungsunterschieden zwischen den Bremer Schulen. Auch zwischendurch (in den Klassenstufen 3 und 6) soll esbald zentrale Tests geben, um das Leistungsniveau der Schulen vergleichbar festzustellen. Ab der Klasse 3 soll es nun auch Ziffern-Noten geben.

Offen ist bei diesem Beschluss vor allem, was an die Stelle der Orientierungsstufe treten soll. Dieses Thema haben die beiden Koalitionspartner auf den Sommer 2003 vertagt. Also auf die Zeit nach der Wahl. Denn die wird natürlich Einfluss haben auf die Klärung dieser Frage, erklärte Albers. So favorisiert die SPD eine 6-jährige Grundschule, in der es ab der Klasse 5 einzelne Leistungsdifferenzierungen geben soll. CDU-Chef Neumann neigt dagegen zu dem niedersächsischen System, in dem diese beiden Jahre an der weiterführenden Schule angebunden sind. Was diese Entscheidung für die bisherigen „Schnellläufer“ bedeutet, in denen in der 5. Klasse besonders begabte Kinder auf das Überspringen der 6. vorbereitet werden, ist aber noch offen. Neumann wollte sich hier nicht auf eine „Bestandsgarantie“ festlegen lassen.

Für die Kinder mit Sprachproblemen, die in der Pisa-Studie in Bremen besonders schlecht abgeschnitten haben, wird es nun besondere Fördermaßnahmen geben. So sollen die Vierjährigen auf ihre sprachlichen Fähigkeiten getestet werden, um dann rechtzeitig Förderkurse „verbindlich“ anbieten zu können.

Besonders glücklich war Bildungssenator Lemke aber vor allem deshalb, weil ihm der Koalitionsausschuss für den großen Umbau-Prozess 24,1 Millionen Euro zusätzlich (für 2003) spendiert hat. K.W.