Keine echte Kopulation

Mandy Taylor (28) stellt sich bei der Erotikmesse im „Café Moskau“ an der einstigen Stalinallee zur Schau. Pornos will sie aber in keinem Fall drehen. Ihr Publikum: mehr junge Paare als alte Säcke

von JOHANNA TREBLIN

Mandy Taylor sitzt am Rand eines Doppelbetts, das vor dem Café Moskau in der Karl-Marx-Allee Passanten anlockt. Neben ihr räkeln sich Frauen in Bikinis. Taylor trägt noch T-Shirt und Jeans. Es wird noch etwas dauern, bis ihre Show losgeht. Es ist 14 Uhr, die Erotikmesse auf der ehemaligen DDR-Prachtmeile hat gerade ihre Türen geöffnet, und Taylor, eine 28-jährige Holländerin, ist einer ihrer Stars.

Im Innern des neuen Kongresszentrums auf der Karl-Marx-Allee versprechen Stände mit japanischen Liebeskugeln und Ähnlichem den uneingeschränkten Sexgenuss für sie und ihn. Auf der Bühne kriecht eine Frau im Bikini herum. Sie scheint eine Art „Warm-up“ vor den Supershows zu sein. Auf einer Leinwand massieren zwei Finger einen weiblichen Genitalbereich. Der Zuschauerraum ist noch ziemlich leer, auch sonst wirkt der Saal etwas trostlos.

„Die Leute kommen meistens, wenn sie gegessen haben“, sagt Taylor. Deutlich leichter bekleidet ist sie aus der Garderobe zurück gekommen, in Bikini und knapper Hose mit den Stars and Stripes der US-Flagge. „Das ist bequem, aber sexy.“ Ein Rundgang mit ihr durch die Ausstellung führt an einem handgeschriebenen Schild vorbei: „Viele Stände“. Genau zwei stehen hinter der nächsten Ecke. In einem leeren weißen Gang posiert der Erotikstar für die Kamera. Taylor guckt mit Schlafzimmerblick in die Linse. Zwischendurch grinst sie, doch dann erinnert sie sich wieder an ihre Professionalität und bleckt die Zähne.

Auf der Messe ist sie für drei Shows gebucht. Dazwischen heißt es Warten. „Rumhängen“ nennt es Taylor. Einmal tritt sie alleine auf, zweimal steht – und liegt – sie mit ihrem Freund Shawn auf der Bühne. Ohne ihn würde sie den Job nicht machen, sagt sie. Wenn sie alleine gebucht wird – „für Hochzeiten und Geburtstage“ –, begleitet er sie immer als Fahrer und Organisator. Und als breitschultriger Aufpasser für seine knapp 1,60 Meter große Freundin. „Respektperson“ nennt er das.

Privatshows sind jedoch die Ausnahmen. In der Regel ist das Paar auf den Erotikmessen Westeuropas zu sehen. Mit den Rahmenbedingungen im Café Moskau sind die beiden nicht zufrieden. Die Decke sei viel zu niedrig: „Bei unseren vielen Hebefiguren muss Shawn deshalb in die Knie gehen, das funktioniert natürlich nicht so gut.“

Ihre erste Show an diesem Tag heißt „Herkules und Xenia“. Der Moderator kündigt sie als „Ausnahmekünstler“ an. Vor der Bühne drängen sich nun schon mehr Menschen. Nicht vorwiegend alte, fette Männer mit schweißglänzender Stirn, sondern hauptsächlich junge Paare um die 20. Vor ihnen spielen Taylor und ihr Freund in Fantasiekostümen eine griechische Sage nach, schwingen Schwerter und Fackeln – und ziehen sich schließlich langsam aus und kopulieren auf der Bühne. So sieht es jedenfalls aus.

„Nicht echt“, erklärt Taylor später, doch das macht eigentlich keinen Unterschied. „Für mich hat es auch etwas Erotisches, wenn sich der Zuschauer fragt, ist das jetzt echt oder nicht?“ Mit Pornografie habe das nichts zu tun. Für die Show ziehe sie sich komplett aus, für Fotos nicht. „Wenn ich viele Kameras sehe, lasse ich die Hand davor, wenn keine Kameras da sind, nehme ich sie schon mal kurz weg.“ Das Ausziehen sei Nebensache: „Ich möchte eine Geschichte erzählen.“

Zufrieden ist sie, wenn sie Männer und Frauen gleichsam begeistert und später hört: ‚Du hast ’ne tolle Show gemacht‘ “. Die Bestätigung hat sie eigentlich schon, seitdem ihre Vorführung auf der Erotica, einer führenden Wandermesse, zum „Striptease of the year“ gekürt wurde.

In die Erotikszene ist sie vor acht Jahren über eine Freundin gekommen, als Gogo-Tänzerin. 20 war sie da. Hinter ihr lag eine Ausbildung zur Modedesignerin – die Kostüme für sich und ihren Freund entwirft sie selbst. Selbst nähen könnte sie auch, aber „dazu habe ich keine Zeit“.

In zwei bis drei Jahren will Taylor in der Erotikbranche aufhören. Schauspielerin möchte sie gerne werden. „Aber eine normale. Ich möchte absolut keine Pornos drehen – das ist für mich das Letzte.“ Schon jetzt nimmt sie privat Unterricht in Bochum. Sie fürchte sich nicht davor, noch mal von vorne anzufangen. „Wenn ich etwas will, dann setze ich mich 100-prozentig dafür ein.“ Entscheidend sei, den Absprung zu bekommen. „Viele Mädchen bleiben hängen und machen Shows, auch wenn sie schon alt und fett sind. Ich möchte das nicht, ich möchte nicht ausgelacht werden.“