Kleingärtner auf Speed

Allerlei obszöne Dummheiten aus dem deutschesten Wahlkampf der Welt

Subkutane Botschaften rutschen in die Slogans, die eher schaden als nützen

Vorläufiger Höhepunkt der globalen Verblödung war bis vor kurzem Fernsehquatsch wie „Die dümmsten Autofahrer (Handwerker, Haustiere, Eierdiebe) der Welt“. Nicht die Handwerker oder Haustiere sind strohdumm, sondern die Sendungen, die bar jeglichem Rest von Niveau, Botschaft, Sinn, Information oder Spaß aus dem Kasten strahlten. Nun ist ein neuer Verblödungshöhepunkt erreicht: der deutscheste Wahlkampf der Welt.

Denn auch die Dümmsten dürfen wählen, und jede Stimme ist gleich viel wert, was man als Demokrat grummelnd gutheißen muss. Weil es aber sehr viel mehr Dummköpfe gibt als kluge Menschen, werben die Parteien naturgemäß um die Stimmen der Dummen. So ist es plausibel, dass die Wahlkämpfer die Strategie der TV-Produzenten übernehmen und den Wahlkampf von allem, was Sinn, Niveau oder eine Botschaft enthält, befreien. Das allein wäre ja nicht dumm, sondern zweckmäßig. Weil aber die Wahlkämpfer sich selbst auf dem Niveau der „dümmsten Fußgänger (Meerschweinchen, Scherenschleifer) der Welt“ bewegen, sind sie nicht einmal in der Lage, das Volk mit inhaltsleeren Botschaften zu überschwemmen; stattdessen rutschen subkutane Botschaften in ihren Wahlkampfunsinn, die ihnen eher schaden als nützen.

So verbreitet die CDU in Hamburg die Parole „Hamburg stärken, Stoiber wählen“. Die Wahlkampfstrategen haben wohl überlegt, wie man möglichst viele Hamburger ansprechen könnte, und gedacht, kein Hamburger könne etwas dagegen haben, dass Hamburg gestärkt werde. Deshalb haben sie ein Foto des Hamburger Bürgermeisters ausgewählt, das gut in einen Lidl-Supermarkt mit der Unterschrift „Ihr Filialleiter: Herr von Beust“ passen würde. Daneben gibt es ein Foto von Stoiber. Filialleiter mögen Vertrauen einflößen, Stoiber aber sieht mit seinem grotesk gequälten Grinsen aus wie ein niederbayerischer Kleingärtner auf Speed. Unhamburgerischer kann man nicht aussehen, der Widerspruch zwischen Text und Botschaft („wenn einer hier nicht hinpasst, dann Stoiber“) tut fast schon weh. Schließlich ist selbst der Name so unhanseatisch wie Schweinshaxn oder Presssack, ganze vier Stoibers gibt es in Hamburg. Nichts, aber auch nichts auf dem Plakat deutet nur annähernd auf eine Stärkung Hamburgs durch diesen Oi-Zwockel hin.

Die Wahlkämpfer des Medienkanzlers sind da schon stilsicherer, sollte man meinen. Pustekuchen. Da platzieren sie zwischen die Stoiberwände ein Kanzlergesicht in fast pornografischer Nahaufnahme und schreiben darüber: „Der Kanzler kommt“. Jeder, der das Plakat besichtigt, fühlt sich sofort an seine Kindheit erinnert, wenn es nach den Sommerferien auf Werbetafeln hieß: „Der Kasper kommt“. Der Satz „Der Kanzler kommt“ stößt den Betrachter auf die kasperlartigen Züge Schröders, noch betont durch das Pappmascheehafte der durchweg schlampig geklebten Plakate. Da ist es fast überflüssig, das Kasperltheaterartige der Politik im Allgemeinen und der Schröder’schen im Besonderen hervorzuheben.

Am schlimmsten aber treiben es einmal mehr die Möllemänner und Westerwellen. „Steck in rein“, blöken die Jungliberalen zotig-jovial und zeigen einen Wahlzettel mit dem Kreuz am falschen Platz auf dem Weg in die Urne. Würg. Hier ist es an der Zeit, zum ersten und einzigen Mal in diesem Leben die militante Hamburger Frauenbewegung zu loben, und zwar für ihr treffendes „Schneid ihn ab“ auf den über die Juli-Peinlichkeit geklebten Plakaten – mit dem Bild einer Schere, die, oberhalb der FDP ansetzend, einen Wahlzettel um eine Nuance erträglicher und versöhnlicher macht.

JOACHIM FRISCH