Über kurz oder lang

Die Kanadierin Jill Savege gewinnt durch einen kräftigen Schlussspurt den Triathlon-Weltcup in Hamburg

HAMBURG taz ■ Auf dem holprigen Kopfsteinpflaster der altehrwürdigen Hamburger Poststraße muss es gewesen sein, wo Jill Savege all ihren Mut zusammennahm und einen kühnen Plan fasste, an dessen Umsetzung sie sich sofort und ohne große Umschweife machte. Das Zielportal auf dem Rathausplatz der Hansestadt war bereits in Sichtweite gerückt, die Poststraße ging gerade fließend in die mit grünem Teppich ausstaffierte Zielgerade über, als die Kanadierin zum entscheidenden Schlag gegen ihre Konkurrentin ausholte.

Nur ein paar Schritte waren es, die sie schneller war als Siri Lindley aus den USA, aber die reichten aus, um an der Weltmeisterin, mit der sie so lange Zeit zusammengelaufen war, vorbeizuziehen. So energisch war der kurze Antritt von Savage, dass Lindley gleich merkte, dass sie dem Schlussspurt ihrer Konkurrentin nichts entgegenzusetzen haben würde. Und auch wenn sie sich noch einmal mit allen Kräften gegen die drohende Niederlage zu wehren versuchte, verhindern konnte sie sie diesmal nicht. Ein paar Meter später überquerte Savege den Zielstrich des Hamburger Triathlon-Weltcups als Erste – 1,6 Sekunden vor Lindley.

Es war eine Premiere in dreifacher Ausführung: Zum ersten Mal seit fünf Weltcuprennen über die olympische Kurzstrecke (1,5 km Schwimmen, 40 km Radfahren, 10 km Laufen) hieß die Siegerin nicht Siri Lindley; zum ersten Mal gewann Jill Savege . Und zum ersten Mal fand ein Rennen der ITU-Weltcupserie in Deutschland statt. Wenn man all das, die 100.000 Zuschauer am Streckenrand und die ausgelassene Stimmung eingeschlossen, zusammennimmt, darf man zweifellos feststellen, dass Hamburg ein Triathlonevent erlebte, von dessen Güte es in Deutschland, zumal auf der Kurzstrecke, kein zweites gibt. „Olympia in Sydney war natürlich top. Aber das hier kommt gleich danach“, schwärmte die Neubrandenburgerin Anja Dittmer.

Jill Savege dürfte lange Zeit an diesen Samstag in der Hansestadt denken, fand doch ihr Experiment auf der Kurzstrecke auf den letzten Metern solch ein spektakuläres Ende. Als Sechste war sie nach 1,5 km Schwimmen aus der trüben Alster gestiegen, in der führenden Gruppe von 19 fast zeitgleichen Triathletinnen sodann vom Rad. Der Rest muss der Kanadierin vorgekommen sein wie ein flotter Triumphmarsch, vor allem ihre Performance auf der Zielgeraden dürfte, wie gesagt, ihre Erinnerung schärfen.

„Ich weiß selbst nicht, wie ich das gemacht habe“, wunderte sich Savege im Zielbereich darüber, dass sie ihren ersten Weltcupsieg ausgerechnet im Spurt holte. Bis vor kurzem nämlich war Frau Savege eher auf der Langstrecke zu Hause, noch letzten Oktober quälte sie sich auf Hawaii über 3,8 km Schwimmen, 180 km Radfahren und den Marathon, Zehnte wurde sie da; beim Ironman California reichte es sogar für einen sechsten Rang. Dass sie parallel dazu auch ihre Karriere über die kurze Distanz vorantreiben konnte, unter anderem mit Rang sechs bei der WM in Edmonton, zeigt, welch großes Potenzial in der Frau schlummert.

Mit Platz zwei vor Wochenfrist in Lausanne und nun dem Sieg in Hamburg ist die Kanadierin endgültig an vorderster Weltspitze angekommen, vor sich vielleicht nur noch Siri Lindley, die große Dominatorin dieser Saison über die olympische Distanz.

Einen Schritt nach vorne haben in Hamburg auch die Frauen der Deutschen Triathlon Union getan, selbst wenn es nicht für einen Platz auf dem Treppchen reichte. Platz sechs für die Rostockerin Christiane Pilz, gleich dahinter Anja Dittmer, zudem die junge Ricarda Lisk aus Waiblingen auf Rang neun sowie Ines Estedt auf Platz elf.

Eine solche Bilanz hat es zuletzt nicht oft gegeben im Weltcup für die deutschen Dreikämpferinnen. „Das ist ein klasse Schnitt“, frohlockte Ralf Ebli, der Bundestrainer. Auf jeden Fall haben die DTU-Athletinnen ihren Heimvorteil prima genutzt.

FRANK KETTERER