DIE FURCHT VOR ABC-WAFFEN WIRD LEICHTFERTIG INSTRUMENTALISIERT
: Iraks gefühltes Waffenarsenal

Es ist schön zu hören, wie sich zwei der größten atomar gerüsteten Militärmächte der Welt um die Bedrohung durch atomare, chemische und biologische Waffen sorgen. Nicht durch die in den eigenen Arsenalen – die sind natürlich ganz harmlos. Es geht um die Bestände des Irak, für deren Existenz uns Tony Blair bald Beweise liefern will. Und da der Entschluss für einen Krieg seit dem Wochenende wohl endgültig feststeht, sprechen Bush und Blair nicht mehr nur über Chemie- und Biowaffen im Irak, sondern plötzlich auch wieder von einem irakischen Atomwaffenprogramm.

Natürlich stellt die Existenz von Atomwaffen eine Bedrohung dar – vor allem die bereits existierenden Arsenale der USA, Russlands, Großbritanniens, Frankreichs und Chinas. Der fahrlässige oder irrtümliche Gebrauch dieser Waffen ist eine reale Gefahr – die irakischen Atomwaffen sind bislang aber nicht existent. Noch absurder wird die Bedrohungswarnung aus Washington bei einem Blick auf Pakistan: Dessen Militärmachthaber Pervez Musharraf droht ganz offen mit dem Einsatz von Atomwaffen gegen Indien. Aber Musharraf ist ein enger Verbündeter der USA, deshalb ist sein Waffenarsenal in ihren Augen auch keine Gefahr für den Weltfrieden. Das galt so übrigens auch einmal für Iraks ABC-Waffen. Als das Regime Saddam Husseins noch mit Billigung und aktiver logistischer Unterstützung durch die USA einen Krieg gegen den Iran führte, spielte es für die USA keine Rolle, dass Bagdad Chemiewaffen gegen irakische Truppen und die eigene Bevölkerung einsetzte.

Mit der Instrumentalisierung der Furcht vor der atomaren Bedrohung spielen die USA und Großbritannien ein gefährliches Spiel. Denn wenn Bush und Blair so tun, als würden die Reste des irakischen ABC-Waffenprogramms eine besondere Gefahr darstellen, ist das nicht nur billige Kriegsprogaganda. Wer die berechtigte Furcht vor diesen Waffen zur Legitimierung eines Angriffskriegs missbraucht, der läuft auch Gefahr, dass das gefährliche Potenzial dieser Rüstungstechnologie nicht mehr ernst genommen wird.

ERIC CHAUVISTRÉ