Internationale Männerjustiz droht

Vertragsstaaten-Konferenz stellt Weichen für die Richterschaft des Internationalen Strafgerichtshofs, doch bisher ist unter den Kandidaten für die 18 Richter erst eine Frau. Washingtons Bestehen auf Immunität für US-Bürger verunsichert Regierungen

Gegen Mauscheleien bei Nominierung des Chefanklägers hilft das Konsensprinzip

aus New York ANDREAS ZUMACH

Bei der für Dezember geplanten Wahl der 18 RichterInnen für den Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) „sollen“ Kandidaten aus allen Weltregionen „gleichmäßig berücksichtigt“ werden und soll es eine „faire Verteilung“ der Posten auf Frauen und Männer geben. Die Umsetzung dieser unverbindlichen Bestimmungen des IStGH-Statuts könnte durch Verfahrensregeln erreicht werden, auf die sich die bislang 78 Mitgliedsstaaten bei ihrer ersten Konferenz in New York am Wochenende geeinigt haben. Heute will die Konferenz diese Regeln fomal beschließen.

Laut Statut darf jedes Mitgliedsland eine(n) Kandidaten/in nominieren und bei der Wahl dann bis zu 18 KandidatInnen ankreuzen. Gewählt ist, wer mindestens zwei Drittel der Stimmen erhält. Nach den jetzt vereinbarten Regeln muss jedes Land auf seinem Wahlzettel mindestens je drei KandidatInnen aus jeder der fünf Weltregionen Afria, Asien, Lateinamerika, Westeuropa/Nordamerika und Osteuropa ankreuzen.

Bereits knapp drei Monate vor Ende der Bewerbungsfrist am 30. November liegen aus jeder Weltregion bereits mindestens drei Kandidaturen vor. Damit scheint eine „gleichmäßige Berücksichtigung“ aller Regionen garantiert zu sein, auch ohne die in zahlreichen UNO-Gremien übliche feste Sitzverteilung auf die Regionalgruppen. Automatisch dürfte damit auch eine andere Sollbestimmung erfüllt werden, wonach „alle wesentlichen Rechtssysteme dieser Erde“ unter den 18 RichterInnen repräsentiert sind.

Noch nicht gesichert ist hingegen eine „faire Verteilung“ der 18 Posten auf Frauen und Männer. Die jetzt vereinbarten Regeln sehen vor, dass bei neun oder mehr weiblichen Kandidatinnen jedes Mitgliedsland mindestens sechs Frauen auf dem Wahlzettel ankreuzen muss. Liegen weniger weibliche Kandidaturen vor, wird die Mindestquote gesenkt. Überhaupt keine Verpflichtung, den Namen einer Frau anzukreuzen, bestünde, wenn nur eine weibliche Bewerbung vorliegen sollte. Das ist bislang der Fall. Denn von den 78 Mitgliedsstaaten nominierte nur die Schweiz eine Frau.

Die weltweite „Koalition von Nichtregierungsorganisationen für einen effektiven Strafgerichtshof“ hofft, dass die neuen Regeln ein Anreiz sind, nun verstärkt Frauen zu nominieren und bereits vorliegende Nominierungen von Männern zurückzuziehen. Denn nach den neuen Regeln ist die Chance für eine Regierung, eine(n) eigene(n) Staatsbürger(in) als IStGH-RichterIn durchzusetzen, größer, wenn sie eine Frau nominiert.

Zur Vorgabe des Statuts, wonach auch KandidatInnen berücksichtigt werden sollen, die spezielle Vorerfahrungen mitbringen (z. B. mit Fällen sexueller und anderer Gewalt gegen Frauen und Kinder), konnten sich die Mitgliedsstaaten aber nicht auf Umsetzungsregeln einigen.

Für die ebenfalls für Dezember vorgesehene Wahl des/der ChefanklägerIn, für die das Statut des IStGH keinerlei Kriterien vorgibt, wurde vereinbart, dass bereits die Nominierung von BewerberInnen im Konsens aller Mitgliedsstaaten erfolgen muss. So soll der sonst üblichen Mauschelei bei der Besetzung hoher internationaler Ämter vorgebeugt und wenigstens etwas Transparenz hergestellt werden.

Zu den hartnäckigen Bemühungen der USA, durch bilaterale Abkommen mit den knapp 150 Staaten, die das IStGH-Statut bislang unterzeichnet oder ratifiziert haben, ihren Staatsbürgern ausnahmslos umfassende Immunität vor dem IStGH zu verschaffen, gab es in New York lediglich ein informelles Treffen hinter verschlossenen Türen. Daran nahmen VertreterInnen von knapp 60 Staaten teil. Deutlich wurde die große Verunsicherung angesichts des Vorgehens der Bush-Regierung. Doch jetzt gab es weder ein Plädoyer für die Unterzeichnung bilateraler Abkommen mit den USA noch für die entschiedene, endgültige Ablehnung des Ansinnens der US-Regierung.

Nach Einschätzung vieler Diplomaten könnte die sich inzwischen abzeichnende Haltung der 15 EU-Staaten von vielen anderen Ländern übernommen werden. Die Rechtsexperten der 15 EU-Außenministerien hatten sich in der vergangenen Woche auf eine Ablehnung der von Washington verlangten und von Israel, Rumäien, Osttimor und Tadschikistan bereits unterzeichneten Abkommen über eine ausnahmslose umfassende Immunität für alle US-Staatsbürger geeinigt.

Die EU-Staaten sind lediglich zu Schutzgarantien für US-Militärs und Zivilisten, die im Regierungsauftrag handeln, bereit. Und auch dies nur, wenn Washington zugleich zusichert, dass die nationale Justiz der USA gegen US-Staatsbürger vorgeht, die für Kriegsverbrechen, Völkermord oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit verantwortlich sind. Zugleich wollen die EU-Staaten rechtsverbindlich klarstellen, dass derartige Garantien für einen Immunitätsschutz vor dem IStGH nicht für die eigenen Staatsbürger gelten sollen.