Gift im Lärmschutzwall

Anwohner entdecken Asbest im Erdwall an der Trainingsrennbahn, Umweltbehörde findet noch anderes Gift. Droht eine neue Sondermüll-Deponie in der Marsch?

Beim Sonntagsspaziergang wurde Gisela Lohße-Trommsdorff stutzig. Ein paar hundert Meter hinter ihrem Haus, mitten im Noch-Landschaftsschutzgebiet Arberger Marsch, baut die staatliche Wirtschaftsförderungsgesellschaft mbH (WfG) den Lärmschutzwall für die geplante Trainingsrennbahn. Der 550 Meter lange Erdhügel soll die Pferde vor Straßenlärm schützen. Doch was Lkw und Bagger seit Wochen bis zu zehn Meter hoch aufschütten, ist nicht nur harmloser Bauschutt und Sand. „Da ist Asbest mit dabei“, erkannte die Architektin und Sprecherin der Bürgerinitiative „Erhaltung der Wesermarsch im Bremer Osten“.

Die eilig alarmierte Umweltbehörde nahm an vier verschiedenen Stellen des Erdwalls Proben, bei zweien davon wurden die Chemiker fündig: asbesthaltiges Material in der einen, 1.600 Milligramm giftige Kohlenwasserstoffe pro Kilo Trockensubstanz in der anderen. Beides ist illegal. Denn im „Landschaftswall“, wie der Erdhügel offiziell genannt wird, darf laut Baugenehmigung kein asbesthaltiges Material eingebaut werden, und auch die Belastung mit anderen Schadstoffen muss unterhalb bestimmter Grenzwerte liegen. Regelmäßige Materialkontrollen sind vorgeschrieben.

Für den Wall verwendet die WfG sowohl „sortierten Bauschutt“ als auch ehemals mit Altlasten verseuchte Erde, die in der Bodenreinigungsanlage der Umweltschutz Nord Bremen GmbH&Co. entgiftet wurde – Erfolgskontrolle auf dem Werksgelände eigentlich eingeschlossen. Wie der mit Kohlenwasserstoffen belastete Dreck, der auch fürs Grundwasser gefährlich werden könnte, trotzdem in die Marsch gelangte, ist noch unklar. „Wir werden dem nachgehen“, versprach WfG-Sprecher Lutz Ruminski. Das beauftragte Bauunternehmen sei verpflichtet, alle Auflagen einzuhalten.

Das Umweltressort geht inzwischen davon aus, dass es sich „nur um eine punktuelle Verunreinigung“ handelt. Drei weitere Stichproben, die das Ausmaß der Belastung klären sollten, hätten sich als „absolut unauffällig“ erwiesen, sagt Sprecher Holger Bruns. Heute will die Behörde mit der WfG weitere Maßnahmen besprechen.

Marsch-Lobbyistin Gisela Lohße-Trommsdorff indes ist alarmiert. Schließlich wäre es nicht das erste Mal, dass sich ein Erdhügel der WfG im Nachhinein als Sondermüll-Deponie entpuppt. Erst vor drei Wochen hatte die EU der grünen Umwelt-Deputierten Karin Mathes schriftlich bestätigt, dass die WfG in dem „Landschaftsbauwerk“, das sie 1998 am Rande der Hemelinger Marsch errichtete, illegal giftige Stoffe einbaute. Nachträglich genehmigte der Senat damals eine Deponie. „Wir wollen uns dieses Mal nicht damit zufrieden geben, dass da einfach Erde draufgeschüttet wird“, sagt Lohße-Trommsdorff: „Das Zeug muss wieder weg.“ Armin Simon